Heft 5/2019, Mosambik

Frelimissimo

BEI DEN WAHLEN IN MOSAMBIK SIEGT DIE FRELIMO DEUTLICHER ALS ERWARTET. Präsident Filipe Nyusi wie auch die Partei erhielten am 15. Oktober weit über 70 Prozent der Stimmen. Hinter dem Erfolg steckt massiver Wahlbetrug.

Wenn die Nationale Wahlkommission Mosambiks (CNE), das für die Wahlorganisation zuständige Organ, schon „Bedenken hinsichtlich einiger Unregelmäßigkeiten, die während des Wahlprozesses aufgetreten sind", meldet, dann muss bei den diesjährigen Wahlen mehr als nur einiges faul gewesen sein. Zwei Wochen nach den Wahlen vom 15. Oktober hatte sie die vorläufigen Ergebnisse bekannt gemacht. Niemand habe sie dabei „sagen hören, die Wahlen seien frei, fair und transparent gewesen", sagte CNE-Präsident Abdul Carimo am 29. Oktober etwas verklausuliert vor versammelter Presse. Das Urteil über die Freiheit, Fairness und Transparenz des Wahlprozesses habe man dem Verfassungsrat (CC) überlassen.

Damit wähnt sich die Wahlkommission aus dem Schneider, denn entsprechend der Empfehlung des Wahlgesetzes hat sie das gesamte Wahldossier innerhalb der vom Gesetz empfohlenen Frist von fünf Tagen nach Veröffentlichung der Wahlergebnisse an den Verfassungsrat weitergeleitet. Diesem obliegt es als höchstem Verfassungsorgan, das endgültige Wahlergebnis zu verkünden, was bis Dezember geschehen soll.

Haushoher Sieg der Frelimo
Die Erfahrungen aus den letzten Wahlen lehren, dass sich trotz der Wahlanfechtungen von acht Oppositionsparteien am endgültigen Ergebnis kaum noch etwas ändern wird: Staatspräsident Filipe Nyusi hat nach Angaben der Wahlkommission 73 Prozent der Stimmen erhalten und ist damit für eine zweite Amtszeit bestätigt worden. Ossufo Momade von der Oppositionspartei und einstigen Rebellenbewegung Renamo landet mit knapp 22 Prozent der Stimmen weit abgeschlagen dahinter. Der Kandidat der „Demokratischen Bewegung Mosambiks" (MDM), Daviz Simango, erhielt lediglich 4,3 Prozent. Ein vierter Präsidentschaftskandidat war Mário Albino von Amusi (Ação do Movimento Unido para Salvação Integral), eine Abspaltung von der MDM. Er hatte 2018 mit wenig Erfolg bei der Bürgermeisterwahl von Nampula kandidiert und erhielt nun 0,7 Prozent. Zwei weitere Präsidentschaftsbewerber, Hélder Mendoça and Alice Mabota, konnten nicht antreten, weil sie nicht die erforderliche Anzahl von 10.000 Unterschriften einsammeln konnten.

In der Nationalversammlung, dem Parlament Mosambiks, hält die regierende Frelimo jetzt mit voraussichtlich 184 Sitzen über zwei Drittel der 250 Mandate und verfügt damit über die notwendige Mehrheit für Verfassungsänderungen. Die Renamo verliert gegenüber den letzten Wahlen 20 Mandate und ist nur noch mit 60 Abgeordneten im Parlament vertreten, die MDM fiel von 17 auf 6 Mandate.

In den parallel abgehaltenen Provinzwahlen konnte die Renamo trotz anders lautender Voraussagen keinen einzigen Gouverneursposten erringen, nicht einmal in ihren Hochburgen Sofala und Zambézia. Die Frelimo siegte in allen zehn Provinzparlamenten des Landes und stellt dort die Gouverneure. Sie räumte 628 Sitze in den Provinzversammlungen ab, die Renamo hat dort nur 156, die MDM lediglich 10 Sitze.

Die Wahlbeteiligung lag mit 51,8 Prozent der rund 13 Millionen registrierten Wählerinnen und Wähler zwar leicht über den Ergebnissen der letzten drei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, aber unter den 60 Prozent der letztjährigen Kommunalwahlen.

Manipulationen und Klima der Angst
Dass die Wahlverlierer die Ergebnisse nicht anerkennen und eine Annullierung der Wahl fordern, ist längst mehr als das gewohnte Ritual, das die Renamo seit den ersten Mehrparteienwahlen von 1994 pflegt. Noch nie war ihr Einspruch gegen Wahlbetrug so berechtigt wie dieses Mal. Ein Sieg der Frelimo war zwar von allen Seiten erwartet worden, auch von den Unterstützern der Opposition, doch dass er so eindeutig ausfallen würde, dürfte hauptsächlich mit drei Gründen zu tun haben: aufgeblähter, aggressiver Wahlkampf der Frelimo, eine geschwächte Renamo, ausgefeilter Wahlbetrug.

Noch vor Beginn des Wahlkampfes im August hat die Frelimo ihre groß angelegte Kampagne gestartet und Brigaden unter Leitung altgedienter Parteiveteranen in alle Provinzen geschickt, um enttäuschte Anhänger und potenzielle Wähler zu mobilisieren. Nach Insider-Angaben soll sie dank Steuergewinnen, die der Staat aus der Übernahme des US-Öl- und Gasförderers Anadarko durch Occidental Petroleum im August erhalten hat, 40 Millionen US-Dollar in die Wahlkampagne gesteckt haben. „Demokratie kostet Geld", wird Präsident Filipe Nyusi zitiert, dem der staatliche Steuergeldsegen für den Frelimo-Wahlkampf gelegen kam, auch wenn dies illegal ist. Er besuchte täglich Wahlveranstaltungen in drei Distrikten, auf denen rote Banner, Poster und T-Shirts dominierten, in manchen Distrikten trat er sogar ein zweites Mal auf. Dabei sprach er vor allem Wählerinnen an, die er die „Stärke der Frelimo" nannte, wie Anne Pitcher in der Washington Post (23.10.2019) bemerkte.

Die Renamo dagegen ist nach dem Ende der Ära ihres langjährigen Chefs Afonso Dhlakama, der im Mai 2018 verstorben ist, gespalten und geschwächt. Der aktuelle Parteipräsident Ossufo Momade gilt als schwach, ist parteiintern umstritten und landesweit wenig bekannt. Das Friedensabkommen vom 6. August wird von einer sich „Militärjunta" nennenden Fraktion der Renamo nicht anerkannt (vgl. afrika süd Nr. 4, 2019).

Noch mehr ins Gewicht fallen dürfte aber, dass die Frelimo schon sehr früh begonnen hatte, ihre Wahlbetrugsmaschinerie anlaufen zu lassen. Bei der Wählerregistrierung hat sie in der Süd-Provinz Gaza, eine Hochburg der Frelimo mit wenig Gefahr oppositioneller Stimmen, dreist 300.000 Geisterwähler zusätzlich registriert – Personen, die nach der staatlichen Bevölkerungsstatistik für die einzelnen Provinzen gar nicht existieren können. Zur gleichen Zeit wurde die Registrierung in Hochburgen der Opposition behindert.

Nach einigen schmerzlichen Verlusten in manchen Provinzen bei den Kommunalwahlen im letzten Jahr hat sich die Frelimo für die diesjährigen Wahlen nicht nur mit systematischen und zentral gesteuertem Wahlbetrug auf allen Ebenen gewappnet, ihr aggressiver Wahlkampf war auch von Einschüchterung und Gewalt gegen Oppositionsvertreter begleitet. In Gaza wurde Anastacio Matavel, ein prominenter Wahlbeobachter der Zivilgesellschaft, von einem Todeskommando der Elitepolizei ermordet – ein brutales Attentat, das den Verdacht auf Wahlbetrug in Gaza noch mehr Nahrung gab. Landesweit beschwerten sich Menschenrechtler über Übergriffe auf Journalisten und Aktivisten, etwa zehn Menschen sind während des Wahlkampf getötet worden. Noch am Vortag der Wahlen wurden in Zumbo in der Tete-Provinz die Vorsitzende der Renamo-Frauenliga, Babula Jeque, und ihr Mann mit zahlreichen Schüssen niedergestreckt.

„Betrügerischster Prozess"
Der Wahltag selbst verlief zwar weitgehend friedlich, doch die Vorwürfe von Wahlmanipulation, Stimmzettelbetrug und etlichen anderen Unregelmäßigkeiten kamen schnell auf. Eine Gruppe mosambikanischer Organisationen der Zivilgesellschaft sprach von dem bislang „korruptesten und betrügerischsten" Prozess in Mosambik. Das Zentrum für Öffentliche Integrität (CIP), eine zivilgesellschaftliche Organisation, hat Daten aus der Parallelstimmenzählung in 12,4 Prozent der insgesamt 20.182 Wahllokale, die das Wahlinstitut für nachhaltige Demokratie in Afrika (EISA) vorgenommen hatte, mit Daten aus den Wahlen von 2014 und dem Zensus von 2017 verglichen. Danach sind der Renamo mindestens 478.000 Stimmen und etwa fünf Abgeordnete geraubt worden. Zu den Betrügereien gehörten illegales Auffüllen der Urnen mit zusätzlichen Wahlscheinen und eine Wahlbeteiligung, die teilweise weit über der Zahl der registrierten Wähler lag, ungültig gemachte Stimmen für Oppositionskandidaten, Überbewertung von in Südafrika registrierten Wählern, Unterbewertung der Wählerregistrierung in Zambézia und allein über 160.000 abgegebene Stimmen von Geisterwählern in Gaza. Nyusis Stimmenanteil ist nach Einschätzung von CIP dadurch um mindestens 11 Prozent gestiegen.

Man muss davon ausgehen, dass der Wahlbetrug zugunsten der Frelimo noch höher liegt, da sich die CIP-Analyse lediglich auf Parallelauszählungen in Provinzen bezieht, in denen eine Wahlbeobachtung zugelassen oder möglich war. Über 3000 Wahlbeobachter der Zivilgesellschaft waren nämlich entgegen dem Wahlgesetz von der Wahlbeobachtung in Schlüsselprovinzen wie Zambézia und Gaza, zum Teil auch in Nampula und Tete, ausgeschlossen worden – genau dort, wo Nyusi und die Frelimo einen überdurchschnittlich hohen Stimmenanteil errungen haben. Bei solchen Beobachtungslücken konnten die Tausenden von der Frelimo eingesetzten Wahlbeamten in den einzelnen Provinzen nicht kontrolliert werden. Einige Wahlhelfer sollen mit Summen von bis zu 300 US-Dollar bestochen worden sein, während anderenorts unabhängige Wahlbeobachter vor der entscheidenden Stimmenauszählung gezwungen wurden, die Wahllokale zu verlassen.

Nach Einschätzung von Edson Cortez, dem Leiter von CIP, war die Betrugsrate dieses Mal so hoch, dass die Frelimo kein realistisches Bild mehr davon hat, wie hoch ihre tatsächliche Akzeptanz im Land ist. Es ging angesichts der Nervosität aufgrund der schlechten Stimmung in der Bevölkerung um Sicherung des Sieges zu jedem Preis.

Die Afrikanische Union hat die Wahlen einmal mehr als „fair und frei" eingestuft, ein Urteil, mit der sie international ziemlich alleine dasteht. Wie in einer ausgesprochen offenen Erklärung der US-Botschaft in Maputo hegt auch die EU-Wahlbeobachtermission (EU EOM) erheblichen Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Wahlen. In einem Statement vom 8. November bestätigt sie sämtliche erhobene Wahlbetrugsvorwürfe. Nach der Überprüfung der Ergebnisse durch das Urteil des Verfassungsgerichts wird die EU EOM ihren Abschlussbericht vorlegen.

Am 9. November hat der Verfassungsrat die Wahlanfechtung der Oppositionsparteien erwartungsgemäß abgelehnt. Er urteilte, die nationale Stimmenauszählung habe geheim erfolgen können, auch wenn die Distrikt- und Provinzauszählungen für Wahlbeobachter und Parteienvertreter offen sind. Nicht zuständig fühlte sich der Verfassungsrat für 18 inhaftierte Wahlbeobachter der Partei Nova Democracia (ND). Sie waren am 15. Oktober in der Provinz Gaza im Bezirk Chokwe unter dem Vorwand verhaftet worden, Wahlbeobachterausweise gefälscht zu haben. Amnesty International wies darauf hin, dass sie einen Monat ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft waren und dann in ein anderes, 154 km entferntes Gefängnis verlegt wurden, ohne ihre Anwälte oder Familienangehörigen zu informieren. Amnesty sieht die Inhaftierung von Wahlbeobachtern als „Teil einer wachsenden Tendenz zur Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung, Vereinigungs- und Medienfreiheit in Mosambik". Vom „endgültigen Frieden", wie es bei der Vertragsunterzeichnung des Friedensvertrags mit der Renamo im August noch hieß, scheint Mosambik weiter entfernt denn je.

Lothar Berger


 Aussage einer Frau und eines Mann in einer Gemeinde in Manica, 26. Oktober 2019:*
Eine Woche vor dem Wahltermin wurden alle Kinder der Realschule unseres Dorfes befragt und unabhängig von ihrem Alter in die Wahllisten eingetragen. Darunter waren sogar 13- und 14-Jährige. Keines dieser Kinder erhielt einen Wahlberechtigungsausweis, aber ihre Namen tauchten später in den Wahllisten auf. Viele der ausgezählten Stimmen in unserer Gemeinde stammten von diesen Schülern, die nicht wählen und auch noch nicht wahlberechtigt waren. Jemand hat die Stimmen für sie ausgefüllt und sie in die Wahlurne gelegt. Deshalb hat die Frelimo so viele Stimmen in unserer Gemeinde erhalten. Ohne diese, Einschüchterungs- und andere Manöver hätten sie niemals mehr als 20 Prozent der Stimmen in unserer Gemeinde bekommen. Nach dem verkündeten Ergebnis hat die Frelimo jedoch über 65 Prozent der Stimmen erhalten.

Lehrer einer Gemeinde in Sofala, 19. Oktober 2019:*
Ich war Teil des örtlichen Wahlbeobachterkomitees. Am 15. Oktober gegen 4 Uhr begannen Polizei und Streitkräfte, das Wahllokal zu umzingeln. Wir waren besorgt und fragten, warum es trotz fehlender Anzeichen von Gewalt in der gesamten Region so viele Streitkräfte geben müsse. Sie sagten uns, das sei zu unserem Schutz.

Einige Minuten vor 17 Uhr teilte uns der lokale Frelimo-Sekretär mit, Essen und Getränke stünden bereit und wir sollten unsere Arbeit unterbrechen. Als wir sagten, wir könnten noch zwei Stunden bis nach der Stimmenauszählung warten, antwortete er: „Dies ist keine Einladung; das ist ein Befehl." Zu diesem Zeitpunkt hatten vier Polizisten das Wahllokal betreten und ihre Waffen auf uns gerichtet. Wir argumentierten immer noch, dass es unsere Aufgabe und unser Recht sei, den Abstimmungsprozess bis zum Ende zu überwachen. Doch einer der Polizisten warnte uns, er würde jeden erschießen, der den Raum nicht sofort verlassen würde.

Als wir um 17.50 Uhr zum Wahllokal zurückkehrten, konnten wir sofort feststellen, dass sie die Zeit genutzt hatten, um die Wahlurne gegen eine andere auszutauschen, die in einem Nachbarraum versteckt war. Die ursprüngliche Wahlurne hatte Markierungen auf allen Seiten und die neue Urne war ziemlich sauber. Einige von uns fragten, was unsere Aufgabe in diesem schäbigen Spiel sei, bei dem von Anfang an Betrug geplant war. Der Frelimo-Sekretär erklärte uns, dies solle verhindern, dass Kriminelle das Land übernehmen, und dass dies die beste Lösung für uns alle sei.
Als später am Tag der Auszählungsprozess begann, konnte sich jeder ein Bild davon machen, dass die Stimmen fein säuberlich ausgefüllt worden waren und keine einzige der gezählten Stimmen von den tatsächlichen Wählern stammte.

Drei Männer in einer Gemeinde in Manica, 27. Oktober 2019:*
Drei Tage vor dem Wahltag kamen Frelimo-Aktivisten in unser Viertel und fragten nach unseren Wahlberechtigungsausweisen. Sie sagten uns, es müsse geprüft werden, ob unsere Namen auf der Wählerregistrierungsliste erschienen. Einige der Leute in unserem Dorf widersetzten sich, die Frelimo-Mitglieder hätten kein Recht, ihren Wahlberechtigungsausweis zu nehmen. Aber die meisten von uns gaben den Registrierungsausweis ab, als die Frelimo-Aktivisten uns einschüchterten und meinten, jeder, der die Karte nicht abgeben würde, würde verdächtigt, mit Oppositionsparteien und Terroristen zusammenzuarbeiten.

Wir haben unsere Ausweise am Vortag der Wahlen zurückbekommen. Einigen wurde gesagt, sie bräuchten nicht mehr an der Wahl teilnehmen, da die Abstimmung bereits in unserem besten Interesse stattgefunden habe. Als zwei von uns wählen gehen wollten, wurde uns mitgeteilt, dass unsere Namen nicht auf der Registrierungsliste stünden und wir nicht abstimmen könnten.

* Aus der Redaktion vorliegenden Interviews, die in mehreren Dörfern der Provinzen Manica und Sofala geführt wurden, geht hervor, dass in den meisten oder sogar allen Bezirken dieser beiden Provinzen ähnliche Straftaten begangen wurden.