Heft 5/2020, Editorial

Bewegung im Kampf gegen Korruption

Schon wieder. Am 20. September vermeldeten alle größeren internationalen Medien die Enthüllung eines gewaltigen Finanzskandals. Hinter dem sperrigen Namen FinCEN Files verbergen sich 2100 interne Verdachtsmeldungen der US-Anti-Geldwäsche-Behörde FinCEN, die belegen, wie große internationale Banken problematische bis illegale Transaktionen in Höhe von sage und schreibe 1,69 Billionen Euro tätigten.

Die FinCEN Files reihen sich ein in eine ganze Serie von Enthüllungsberichten, die in den letzten Jahren an die Öffentlichkeit gekommen sind. Neben den Panama und den Paradise Papers, den Offshore, Luxemburg und Mauritius Leaks haben vor allem die Luanda Leaks zu Jahresbeginn gezeigt, wie stark insbesondere Angola von internationaler Geldwäsche betroffen ist und jahrzehntelang von seinen Eliten in freundlicher Zusammenarbeit mit internationalen Banken und Consulting-Agenturen systematisch ausgeplündert wurde.

Endlich ist auch in Angola wieder Bewegung in die Korruptionsbekämpfung gekommen. Nach einem vielversprechenden Anfang musste sich Präsident João Lourenço den Vorwurf gefallen lassen, er gehe lediglich konsequent gegen die Familie des Ex-Präsidenten vor, während er alle anderen Profiteure des ehemaligen Dos-Santos-Regimes (zu denen er selbst zählt) ungeschoren davonkommen lasse.

Doch die Wahlen im Jahr 2022 rücken näher und mit seiner äußerst restriktiven und gewalttätigen Corona-Politik hat sich „JLo", wie er häufig genannt wird, wenig Freunde gemacht und steht nun angesichts einer verschärften Wirtschaftskrise unbeliebt da wie nie zuvor. Da liegt es nahe, dass er sich an sein einstiges Wahlversprechen erinnert und notgedrungen erneut zum Kampf gegen die Korruption im Land bläst. Als die Schweiz die Vermögenswerte in Höhe von 765 Mio. Euro von Carlos Manuel de São Vicente, Schwiegersohn des ersten Staatspräsidenten Agostinho Neto, wegen Geldwäscheverdachts eingefroren hat, kam ihm das wohl nicht ungelegen. Am 22. September wurde São Vicente in Luanda in Untersuchungshaft genommen. Und erst im August wurde Ex-Präsidentensohn José Filomeno dos Santos zu fünf Jahren Haft wegen Veruntreuung des angolanischen Staatsfonds verurteilt. Zu JLos Achillesferse könnte v.a. sein Vertrauter Edeltrudes Costa werden: Zuletzt wurden Vorwürfe gegen Lourenços Kabinettschef publik, dieser habe sich über seine Beraterfirma an vorteilhaften Staatsaufträgen bereichert. Um glaubwürdig zu bleiben, muss also JLo weitergehen und mit bisherigen Weggefährten brechen, die bislang verschont worden sind.

Doch auch die Gegenseite macht mobil. Während ein Gericht in den Niederlanden beschloss, Sindika Dokolos Anteile an seinem Konzern Exem einzufrieren, ließ Dokolos Ehefrau Isabel dos Santos über einen Berater verlauten, Manuel Vicente habe in seiner Funktion als Sonangol-Vorsitzender 164 Mio. Euro veruntreut. Der portugiesische Analyst Rui Verde sieht darin eine Strategie, eine breitere Front gegen JLo zu mobilisieren, indem sie diesen zwingt, gegen weitere korrupte Repräsentanten des alten Regimes vorzugehen, und so Vicente, der den Präsidenten in Energiefragen berät – gegen dessen Willen – aus der Reserve lockt und dazu nötigt, sich gegen Lourenço zu stellen. Falls es also wirklich ihre Absicht gewesen sein sollte, neue Allianzen mit alten Bekannten und Rivalen zu schließen, dann hat sie nun Grund zur Freude. Anfang Oktober erhob die Generalstaatsanwaltschaft in Luanda Anklage gegen die beiden Generäle a.D. Dino und Kopelipa. Vorgeworfen wird ihnen die Veruntreuung eines Kredits des China International Fund.

Während sich in Angola der Machtkampf zwischen Präsident Lourenço und seinen ehemaligen Weggefährten zuspitzt, geht er auch in Südafrika in eine neue Runde. Die Verhaftung mehrerer ANC-Funktionäre ist dabei ein wichtiger Punktsieg für Präsident Ramaphosa, doch die Zumaisten um Generalsekretär Ace Magashule werden ihre einträglichen Posten nicht kampflos räumen. Und auch in Malawi muss der neue Präsident Lazarus Chakwera nach der Wahl beweisen, dass die Vorschusslorbeeren nicht verfrüht waren. Nach der Wahlfälschung bei der vorangegangenen Wahl besitzt jedoch der geordnete demokratische Machtwechsel in Malawi unzweifelhaft einen Eigenwert.

Während also bei aller gebotenen Vorsicht – und ungeachtet der verheerenden wirtschaftlichen Gesamtlage durch Covid-19 – ermutigende Zeichen im südlichen Afrika in puncto Korruption zu verzeichnen sind, bleiben die Fortschritte in den westlichen Ländern übersichtlich. Dabei liegen v.a. hier die Hebel, um Geldwäsche systematisch zu bekämpfen. Es ist nicht gottgegeben, dass die größten Finanzinstitute dieser Welt, darunter JPMorgan, HSBC und Deutsche Bank, Geldwäsche in Milliardenhöhe betreiben und die korruptionsgetriebene Kapitalflucht aus dem Globalen Süden erst ermöglichen. Europa und vor allem Deutschland, das besonders lax agiert, braucht eine konsequentere Durchsetzung der bestehenden Regularien, die europäische Gesetzgebung muss harmonisiert und die Aufsichtsbehörden müssen gestärkt werden. Andernfalls werden die FinCEN Files mit Sicherheit nicht die letzten Leaks gewesen sein, von denen wir hören werden.

Daniel Düster