Heft 5/2020, Simbabwe

Herrschaft und Kontrolle

EIN BEITRAG ZUR DEBATTE UM SIMBABWES NIEDERGANG. „Rhodesiens Zukunft heißt Zimbabwe" hieß mal ein Reader, den die issa 1977 herausgebracht hatte. Die Zukunft im Simbabwe von Robert Mugabe hatte sich allerdings bald nach der Unabhängigkeit verdunkelt. „Einen furchtbaren Albtraum" nannte es der simbabwische Aktivist Tendai Ruben Mbofana in einem persönlichen Rückblick, den wir in afrika süd Nr. 3, 2020, veröffentlicht haben. Der Beitrag inspirierte den Autor, genauer hinzuschauen, wie es zu dem Niedergang Simbabwes kam.

Es besteht kaum ein Zweifel, dass die Mehrheit der heute lebenden Simbabwer, die das Ende des Smith-Regimes noch mitbekommen haben, Ruben Mbofanas Hauptaussage zustimmen würden, nämlich dass es ihnen unter der Smith-Herrschaft wirtschaftlich besser gegangen sei als heute im „freien Simbabwe". Ebenso wenig besteht ein Zweifel daran, dass kaum jemand zu einer weißen Minderheitsregierung zurückkehren möchte, eine Option, die ohnehin nicht mehr infrage käme. Leider bleibt Mbofanas Aufsatz sehr an der Oberfläche, ist wenig analytisch. Er beschreibt vergleichend den Lebensstandard einer afrikanischen Mittelstandsfamilie zum Ende des Smith-Regimes und unter der schwarzen Mehrheitsregierung, und er erklärt nichts. Er hinterfragt nicht einmal, ob die Mehrheit der Kleinbauern in den ländlichen Gebieten zu einem ähnlichen Ergebnis kommen würde. Zum Ende hin ist man so klug als wie zuvor und kann nur resignierend die Achseln zucken, weil ein afrikanischer Hoffnungsträger den Bach runter gegangen ist und kein Hoffnungsschimmer am Horizont auftaucht.

Aber warum ist es so gekommen? Wann und wo hätte es anders laufen können und müssen? Am Anfang hatte es doch eigentlich ganz gut ausgesehen, zumindest aus Sicht der weißen Rhodesier und ihrer internationalen Unterstützer. Damals war Simbabwe noch „open for business" (im Unterschied zu heute, auch wenn heute viel davon getönt wird), aber man musste dabei angestrengt wegschauen, um die Gräueltaten des Mugabe-Regimes im Matabeleland zu übersehen. War das schon der Anfang vom Ende, zwei Jahre nach Beginn der schwarzen Mehrheitsregierung?

Kampf um Kontrolle: Ausschalten der Zapu
Wenn man Masipula Sitholes (dem Bruder von Ndabaninga Sithole, dem Zanu-Führer vor Mugabe, später Chef der Abspaltung Zanu Ndonga) 1978 erschienenen Buch „Struggles within the Struggle" folgen will (und aus meiner Sicht spricht vieles dafür, das zu tun), ging der Niedergang schon vor Ende des Befreiungskampfes los. Schon während des Befreiungskampfes, während Mugabe und Mnangagwa noch in rhodesischen Gefängnissen saßen, hatte es zahlreiche interne Kämpfe und Querelen in der Zanu gegeben, beliebte und fähige Führer der Partei wie Herbert Chitepo und Josiah Tongogara wurden aus dem Wege geräumt. Tongogara war der Führer der Zanu-Guerilla-Armee Zanla in Mosambik. Er wurde nach dem Sieg auf dem Weg nach Harare ermordet, und seine Mörder sitzen bis heute in der Regierung. Die Tragödie begann, als sich die Mugabe-Fraktion innerhalb der Zanu mit brutalen Mitteln die Herrschaft in der Partei sicherte.

Zugleich gab es eine weitere Guerilla-Armee, die der Zapu, Zipra genannt, trainiert und ausgestattet durch die Sowjetunion, während die Zanu durch Chína unterstützt wurde. Man könnte argumentieren, dass die Zipra aufgrund der Unterstützung und Ausbildung durch die Sowjetunion und ihrer besseren Disziplin militärisch stärker war als die Zanla und einen maßgeblicheren Beitrag zum Sieg der Befreiungskräfte geleistet hatte. Da Zapu und Zipra aber überwiegend im Matabeleland verankert waren, hatten sie bei den ersten freien und allgemeinen Wahlen 1980 kaum eine Chance, die Mehrheit zu gewinnen. (Hinzu kommen Gerüchte, dass schon bei den ersten Wahlen betrogen wurde, und zwar durch die Briten, die mitten im Kalten Krieg verhindern wollten, dass eine moskautreue Partei die Wahlen gewinnt und deshalb das vermeintlich kleinere Übel Zanu förderten.)

So gewann also die Zanu deutlich die Wahlen, mit dem kontrollbesessenen Paranoiker Mugabe an der Spitze. Die beiden Befreiungsarmeen wurden aufgelöst und (teilweise) in die simbabwische Armee integriert, aber Matabeleland wurde weiterhin durch die Zapu kontrolliert. Da wegen der ständigen Flügelkämpfe in der Zanu (meist mit ethnischem bzw. regionalen Hintergrund) Mugabe und die ihn stützende Clique zu diesem Zeitpunkt nicht einmal der Kontrolle ihrer eigenen Partei sicher sein konnten, nutzten sie den kleinsten Vorwand, um gegen Zapu und die Reste der Zipra gewaltsam vorzugehen. Ein Waffenfund in Matabeleland, die Existenz einer Handvoll (mögen es auch zwei Hände gewesen sein) von „Dissidenten", die mit der untergeordneten Rolle von Zipra-Kadern in der neuen gemeinsamen Armee nicht zufrieden waren, genügten, um die nordkoreanisch ausgebildete 5. Brigade losschlagen zu lassen. Es folgte ein fünfjähriges brutales Gemetzel in Matabeleland und Midlands, wie von Mbofana richtig beschrieben.

Nachdem so die (teilweise) bewaffnete Opposition brutal unterworfen und mit der Zanu zwangsvereinigt war, – die zwei Sitze in Chipinge für die Zanu-Ndonga und die in der Anfangsphase laut Lancasterhouse-Verfassung wenigen noch reservierten Sitze für Weiße brauchte Mugabe nicht zu fürchten – ging es in der Folgezeit für Mugabe primär darum, seinen notorisch undisziplinierten Haufen Zanu unter Kontrolle zu bringen, wo jeder gegen jeden intrigierte, wo regional bzw. ethnisch organisierte klientelistische Cliquen versuchten, sich gegenseitig auszubooten.

Diese Maßnahmen erklären eher den späteren wirtschaftlichen Niedergang als die Niedermetzelung von Dissens im Matabeleland. Der Zanu-Regierung ging es von Anfang an primär um Herrschaftssicherung und Kontrolle, nur sekundär um Wirtschaft und Entwicklung. Dem Primat der Machtsicherung war und blieb alles untergeordnet. In Matatbeleland wurde das Militär eingesetzt; in der Wirtschaft setzte man auf Patronage und Erpressung. Aber der wirtschaftliche Niedergang und die ausufernde Korruption waren in den 80er- und Anfang der 90er-Jahre noch nicht so sehr erkennbar. Bis Anfang der 90er-Jahre war Simbabwe das am zweitstärksten industrialisierte Land in Afrika südlich der Sahara. Auch die Korruption wurde Anfang der 90-er Jahre, z.B. im sogenannten Willowgate-Skandal (in den auch Mugabes erste Frau Sally verwickelt war) noch einigermaßen effektiv bekämpft. Was also ging in den 90-er Jahren schief?

Mugabes macciavellistische Herrschaft
Mugabe hatte seinen Macchiavelli sorgfältig studiert und angewandt. Er beherrschte die ganze Palette macciavellistischer Herrschaftstechniken, angefangen von der Ausübung brutaler Gewalt, wie die zahlreichen nie aufgeklärten mysteriösen „Autounfälle" führender Parteimitglieder belegen. Lieber war ihm jedoch die Politik des Damoklesschwertes, der Einschüchterung und Erpressung. Zu diesem Zweck wurde und wird ein riesiges Spitzelnetzwerk unterhalten, wurden Geheimakten über sämtliche Parteispitzen angelegt, die sich im Office of the President befanden – dessen Chef, George Charamba, auch von Mnangagwa in derselben Funktion übernommen wurde. Dort wurden fein säuberlich Fehlverhalten und sonstige Schwachpunkte der Parteikader erfasst, nicht etwa um dieses Fehlverhalten zu bekämpfen, sondern es im Zweifelsfall für die Parteiführung, also Mugabe, nutzbar zu machen.

Jede/r sollte erpressbar sein; wer versuchte, nicht erpressbar zu bleiben, machte sich verdächtig. So wurde die Partei zu einem Haufen hemmungsloser Opportunisten und Speichellecker, die jeden Schwenk der Parteiführung mitmachten. Die andere Seite der Medaille war, dass jeder wusste, dass ihm bei Korruption oder widerrechtlichen Aneignungen fremden Vermögens nichts passieren wird, solange er/sie auf „Parteilinie" (also auf der Linie des großen Führers) bleibt. Die andere Folge ist, dass jeder Kampf gegen Korruption, sollte denn tatsächlich im Ernst mal so etwas stattfinden und nicht nur in verbalen Deklamationen für das internationale Publikum bestehen, erfolglos bleiben wird, denn jeder der korrupten Parteikader steckt voller schmutziger Geheimnisse über jeden anderen, die er im Zweifelsfalle jederzeit aus der Tasche ziehen könnte. Und da das jeder weiß, wird nichts geschehen. Mugabe hat nach dem Verschwinden von 15 Mrd. US-Dollar Diamantengeld mal kurz einen Versuch gemacht. Aber das war vermutlich schon eine Alterserscheinung. Er hatte „vergessen", dass der verhaftete Chef der Zimbabwe Mining Development Corporation dann ausplaudern würde, dass Grace Mugabe zutiefst in dieses Geschehen involviert war. Als er im Gefängnis daran erinnerte, wurde er denn auch schleunigst wieder entlassen.

Mit diesem System steuerte Mugabe „sein Land" und seine Partei einigermaßen unangefochten bis in die Mitte der 90er-Jahre. Mehrere Verfassungsänderungen stärkten seine Macht, die schließlich so weit ging, dass Mugabe, wenn das Parlament seine Amtsenthebung beschließen würde, er das verfassungsmäßige Recht hatte, das Parlament zu entlassen und Neuwahlen auszuschreiben. Simbabwe war zur Einmanndiktatur verkommen, und willfährige, eingekaufte Parlamentarier hatten dem zugestimmt. Der Wirtschaft ging es nicht sonderlich gut, aber von einer Massenverarmung war damals noch nichts festzustellen. Im Vergleich zu den meisten Nachbarstaaten stand Simbabwe aufgrund seiner guten, ererbten Infrastruktur und der weitgehenden Industrialisierung noch relativ gut da. Das änderte sich erst ab der zweiten Hälfte der 90er-Jahre.

Kriegsveteranen und Wirtschaftskrise
Eine Wirtschaftskrise in der ersten Hälfte der 90er-Jahre veranlasste die Parteiführer, inzwischen durchgängig im Nebenberuf auch Geschäftsleute, die ihre „guten Beziehungen" zur Regierung für sich nutzbar machten, zu einem klassischen IWF-inspirierten Strukturanpassungsprogramm, das wiederum die eigene Parteibasis, nämlich die Kriegsveteranen, und die organisierte Arbeitnehmerschaft auf die Barrikaden brachte. Die Parteiführung, die den Kontakt zur Basis ziemlich verloren hatte, traf das unvorbereitet. Die Kriegsveteranen sahen, wie ihre Parteiführer sich zunehmend bereicherten, und wollten auch ihren Teil der Beute abbekommen. Auf einer Rede auf dem nationalen Heldenfriedhof buhten sie Mugabe aus. Und da die Kriegsveteranen über gute Beziehungen zum Militär verfügten, wurden sie für Mugabe zum Sicherheitsproblem. Die Unzufriedenheit der Gewerkschaften war demgegenüber weniger besorgniserregend. So entschied der „Führer" eigenhändig und ohne das im Budget abzuklären über Einmalzahlungen an die Kriegsveteranen und fortlaufende Pensionszahlungen, was natürlich sofort die Inflation anheizte und zugleich die Unzufriedenheit der Gewerkschaften weiter erhöhte, auf deren Rücken nun auch noch eine parasitäre Rentiersklasse, die sich Kriegsveteranen nannte, durchgepäppelt werden sollte.

Mugabe war auf dem falschen Fuß erwischt worden. Hemdsärmlig „löste" er das Problem der innerparteilichen Kohärenz, das er als Sicherheitsproblem empfand, auf Kosten der wirtschaftlichen und finanziellen Rationalität. Wirtschaft und Entwicklung wurden auf dem Altar der Sicherheit geschlachtet. Durch oberflächliches und kurzsichtiges Kitten von innerparteilichen und innergesellschaftlichen Brüchen hielt sich Mugabe an der Macht – und vergrößerte das langfristige Problem.

Selbstbereicherung der Elite
Im folgenden Jahr versuchten Tutsi-geführte Rebellen im Kongo die Regierung von Laurent Kabila zu stürzen. Wieder ohne die Budgetimplikationen zu klären und sich mit irgendeinem seiner Minister abzusprechen, beschloss Mugabe zu intervenieren, angeblich um der Regierung im Kongo beizustehen. In Wirklichkeit wurde der Einsatz eher zu einer Selbsthilfe- und Selbstbereicherungsmaßnahme der simbabwischen Armeeführung, einschließlich befreundeter Geschäftsleute. Nicht erst seit dann ist ein Großteil der Parteielite im Bergbau engagiert. Der Kongo war das Übungsfeld für den Diamantenklau. Aber auch der weiße Unternehmer und Zanu/PF-Unterstützer Benny Rautenbach, der in Südafrika wegen Steuerhinterziehung gesucht wird, bekam seinen Teil ab, natürlich unter der Bedingung, dass er in tiefer Dankbarkeit für die Übernahme eines Bergbaubetriebs im Kongo auch weiterhin immer schön die Partei unterstützen müsse – und wohl wissend, dass er bei „Fehlverhalten" diese auch jederzeit und ohne unnötiges Zeremoniell wieder entzogen bekommen könnte. Zuckerbrot und Peitsche bleiben die treibende Kraft der Ökonomie.

Aber die Selbstbereicherung der Eliten stellte natürlich keineswegs die Gewerkschaften zufrieden. Die eigentliche Krise kam erst zur Jahrtausendwende, und der wirtschaftliche Niedergang wurde zum Absturz. Mugabe wollte zum x-ten Male die Verfassung ändern lassen, um die Macht des Präsidenten weiter zu erhöhen. Inzwischen hatte sich aber unter Führung des Gewerkschaftsdachverbandes eine zivilgesellschaftliche Opposition gegen diese Verfassungsänderung gebildet, die National Constitutional Assembly. Das Referendum über die Verfassungsänderung fand im Februar 2000 statt, und da Mugabe sich nicht vorstellen konnte, dass „seine Leute" ihm gegenüber, dem allseits geliebten und geachteten großen Führer, ungehorsam sein könnten, ließ er es an den später üblichen Maßnahmen von Einschüchterung und Betrug mangeln und verlor das Referendum, Mugabes erste Abstimmunsniederlage seit seinem Regierungsantritt. Was für ihn besonders bedrohlich war: Selbst in den ländlichen Gebieten, die bisher immer eine sichere Bank für die Regierung waren, verlor Mugabe das Referendum. Und ähnlich wie andere „große Führer" auch heute noch musste jemand anderer schuld sein an diesem „Verrat", und das waren die weißen Farmer, die ihre Arbeiter aufgehetzt hatten.

Einen Monat nach der verlorenen Wahl ließ Mugabe, wieder in einem einsamen Entschluss, seine Horden, angeheuerte Jugendliche, die sich als Kriegsveteranen bezeichneten, auf die ersten weißen Farmer los, und die sogenannte Fast Track Land Reform wurde beschlossen. Der innerparteiliche Kritiker an diesem Vorgehen, Verteidigungsminister Moven Mahachi, kam bei einem sogenannten Autounfall, der nie aufgeklärt wurde, ums Leben. Augenzeugen berichten von seinem kugeldurchsiebten Geländewagen. Und wie immer, wenn ein als Unfall getarnter Mord nicht aufgeklärt werden kann, kam der Auftrag dafür von ganz weit oben.

Diese sogenannte Landreform, die keine war, brach der simbabwischen Wirtschaft endgültig das Genick. Nicht nur dass es für diese spontane Ad-hoc-Aktion keine Plan gab, keine Klarheit darüber, wer welches Land bekommen solle, keine Ausbildung für die Neufarmer, kein Startkapital. Auch die Tatsache, dass viele Farmen an Zanu/PF-Spitzen gingen, ist nicht das Hauptproblem. In typischer Zanu/PF-Manier, wo es primär um Patronage und Abhängigkeit geht, bekamen die Neufarmer keine Landtitel, damit keine Sicherheit und keine Kredite.

Das Land wurde ganz überwiegend Staatsland, verschwand damit weitgehend aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, konnte jederzeit (bei Fehlverhalten, man kennt es) wieder entzogen werden. Wegen fehlender langfristiger Sicherheit und fehlendem Zugang zu Krediten wurden langfristige Investitionen vermieden, und so ist die Situation im Prinzip bis heute. Seitdem wurde Simbabwe, das jahrzehntelang von Agrarüberschüssen lebte, zum Nettoimporteur von Lebensmitteln, lediglich bei Tabak und z.T. Baumwolle gibt es noch gute Ergebnisse, und die Landwirtschaft fiel auch weitgehend weg als Kunde für die lokale Industrie, die infolgedessen ebenfalls verfiel.

Vereinnahmung des Staates
Mit den enteigneten Farmen hatte Mugabe ein weiteres Mittel in der Hand, sich Loyalität zu erkaufen – und bei Zweifeln an der Loyalität konnte so auch jederzeit mit dem Entzug gedroht werden. So ist verständlich, dass Parteirenegaten wie Didymus Mutasa und andere schnell wieder in den Stall zurückkehren, da sie ansonsten in Armut versinken. Dass das Land nicht ausreichend wirtschaftlich genutzt wird und die Wirtschaft des Landes soweit ins Trudeln kam, dass Simbabwe zu einem der ärmsten Länder der Region wurde, störte nicht weiter. Man könnte sogar annehmen, dass die Verarmung der Bevölkerung dem Regime nicht unwillkommen war, da wirtschaftlich abhängige Menschen eher für Patronage offen sind und bei der Drohung mit dem Entzug der Patronage leichter wieder auf Linie zu bringen sind. Auch dass die Arbeitslosigkeit bei knapp 90 Prozent liegt, stört nicht sonderlich, da die Arbeiter ja zum großen Teil für die Opposition gestimmt haben. In Mugabes macchiavellistischem Machtkalkül war das entscheidend – und seine Nachfolger haben daran nicht viel geändert.

Wenn trotzdem mal jemand ohne das System oder gegen das System reich wird, wie der Mobilfunkunternehmer Strive Masiyiwa, dann wird ihm schnell mit Methoden, die an Schutzgelderpressungen der Mafia erinnern, klar gemacht, dass er seinen Tribut an die Partei zu entrichten hat. Masiyiwa zahlt inzwischen brav. Denn interessanterweise ist die Regierungspartei, deren Führungsclique aus Multimillionären besteht, selbst notorisch pleite. Zu jedem Parteitag wendet sie sich zwecks Finanzierung desselben bettelnd an die Wirtschaft, und die versteht diese Bitte zu Recht als Drohung.

Simbabwe ist ein System gelungener State Capture, also der Unterordnung des Staates und all seiner Institutionen unter die Interessen einer kleinen Führungsclique. Politischer und wirtschaftlicher Erfolg läuft fast nur über die Nähe zur Macht und die Bereitschaft, im Falle des Erfolges die Mächtigen auch ordentlich zu beteiligen. Andersherum kann jede/r, der/die sich dem zu entziehen versucht, sich nie sicher sein, die Früchte seiner/ihrer Arbeit auch langfristig weiterhin zu genießen. Die Partei ist die wahre Eigentümerin des Landes. Rechtssicherheit existiert nicht. Die Nähe zur Macht berechtigt zu fast allem, selbst die Justiz wurde im Zuge der Farmbesetzungen weitgehend durch Mugabe auf Linie gebracht. Instabilität kommt fast nur dann auf, wenn sich die Obermafiosi der Partei bei der Selbstbereicherung gegenseitig ins Gehege kommen. So wurde die Raffgier Grace Mugabes der engeren Führungsclique und vermutlich ihren künftigen Opfern zuviel. Als sie sich im Umfeld von Harare die Farmen dutzendweise unter den Nagel riss, dann lag das weniger an ihrem gewaltigen Interesse für die Landwirtschaft, sondern eher an der Tatsache, dass fast überall dort Goldvorkommen vermutet werden. Dem ist nun ein Riegel vorgeschoben, aber bisher wurde ihr nichts abgenommen, vermutlich weil sie zuviel über ihre innerparteilichen Gegner weiß.

Reinhard Groemping

Der Autor ist Diplom-Politologe und seit 1992 für den Deutschen Entwicklungsdienst und den Weltfriedensdienst in südlichen Afrika tätig, darunter 16 Jahre in Simbabwe, wo er überwiegend lebt.