Heft 5/2021, afrika süd-dossier: Klimakrise im südlichen Afrika

Klima und knappe Wasserressourcen in Ostafrika

ANSÄTZE FÜR KONKRETE MASSNAHMEN. Der Direktor des Climate Action Network Tanzania zeigt sehr engagiert die vielseitigen Folgen und Herausforderungen des Klimawandels in Ostafrika auf. Seine genaue Darstellung der bereits erlittenen Verheerungen macht die Dringlichkeit von Maßnahmen offensichtlich. Sixbert Mwanga macht Vorschläge, wie diese aussehen könnten und spornt an, sie umzusetzen.

Die sozioökonomischen Aktivitäten und Lebensgrundlagen in den meisten Ländern Afrikas südlich der Sahara und insbesondere in der Region Ostafrika sind hochgradig klimasensitiv und werden daher davon beeinflusst, wie sich das Klima und die Verfügbarkeit und der Zugang zu Wasser verhalten. Laut einer aktuellen Studie des World Resource Institute (WRI 2019) ist bereits jeder dritte Mensch in Afrika von Wasserknappheit betroffen, während fast 400 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika nicht einmal eine grundlegende Trinkwasserversorgung haben. Tatsächlich spielen sowohl ein stabiles Klima als auch Wasser eine wichtige Rolle für die sozio-ökologische Transformation und das Wohlergehen der Gesellschaft in der Region. Da sie eng verflochten sind mit den meisten Aktivitäten zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Region (Klein- und Subsistenzwirtschaft mittels Landbau, Weidewirtschaft und Fischerei), sind ein stabiles Klima und Wasser von zentraler Bedeutung, um die Produktion und die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaften zu erhöhen.

Allerdings erlebt die Region zunehmend instabile Klimabedingungen in Bezug auf Temperatur und Regenfälle, begleitet von häufigen Extremwetterereignissen, insbesondere Dürren und Überschwemmungen. Diese Situation hat sich auf die Bemühungen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ausgewirkt, Resilienz aufzubauen. Zu den am stärksten betroffenen Aktivitäten und Sektoren gehören Land- und Weidewirtschaft, Tourismus, Energie, Fischerei und Gesundheit.

Herausforderungen für die Wasserressourcen
Der Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf weniger als 1,5 Grad Celsius kommt zu dem Schluss, dass der Klimawandel die Wasserressourcen qualitativ und quantitativ erheblich beeinträchtigt und somit die Wasserknappheit sowie die damit verbundenen Konflikte in der Region Ostafrika verstärken wird. Diese Situation erhöht den Druck auf die Gesellschaft und die natürlichen Ressourcen, und es ist abzusehen, dass die Bemühungen der Regierungen und Interessengruppen den Herausforderungen nicht genügen. Abnehmende bzw. verkürzte Niederschlagsperioden mit lang anhaltenden Dürren in den letzten zwei Jahrzehnten haben sich negativ auf die Süßwassersysteme ausgewirkt. Viele ganzjährige Wasserquellen und Flüsse sind saisonal geworden, und manche vormals saisonalen Gewässer sind aufgrund des Klimawandels heute ganz verschwunden. Jüngste Studien haben außerdem ergeben, dass einige der größten Flüsse in Tansania (Mara, Pangani und Rufiji), Kenia (Tana, Tsavo und Athi) sowie der Nil in Uganda eine jährliche Verringerung des Abflusses erfahren haben. Davon sind viele Gemeinden betroffen, die von diesen Flüssen abhängig sind.

Somit haben die Auswirkungen des Klimawandels auf das Wasser und die Lebensgrundlagen der Gemeinden zwei verwundbare Gruppen geschaffen, denen die Regierungen und Institutionen der Region nur wenig helfen: Zum einen sind dies Gemeinden im Landesinneren mit begrenztem Zugang zu Wasserressourcen und zum anderen sind es Gemeinden in ländlichen Küstengebieten, die dem Risiko von Überschwemmungen ausgesetzt sind.

Die Gemeinden im Landesinneren leiden unter den lang anhaltenden Dürren und haben aufgrund von Wasserknappheit und degradiertem Ackerland immer begrenztere Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Auswirkungen auf diese Gemeinden und ihren Lebensunterhalt haben die Bemühungen zur Armutsbekämpfung und zur Verbesserung der Gesundheitsstandards in den am meisten gefährdeten Gruppen untergraben. Mit eingeschränktem Zugang zur notwendigen Wassermenge und sinkender Wasserqualität vermehren sich Krankheiten, die durch Wasser übertragen werden, insbesondere Typhus und Cholera.

Andererseits sind die ländlichen Küstengebiete zunehmend von einem steigenden Meeresspiegel, Küstenerosion und Salzwasserintrusion betroffen. Hinzu kommen extreme Klima- und Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren. Sowohl der Anstieg des Meeresspiegels als auch das Eindringen von Salzwasser haben Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen in den Küstengebieten, einschließlich Landwirtschaft und Ökotourismus. Die begrenzten Ressourcen haben zu einer Übernutzung der Ressourcen geführt und diese Gebiete zu Epizentren von Konflikten um natürliche Ressourcen gemacht.

Die Gemeinden übernutzen die verbleibenden Wasserquellen und sind in Feuchtgebiete eingedrungen, um die Flächen für Ackerbau und Weide zu vergrößern. Damit haben soziale Kämpfe, Wasserstreitigkeiten und der Wettbewerb zwischen den Ressourcennutzenden zugenommen. Diese Auseinandersetzungen und Konflikte sind überall zu beobachten: flussaufwärts gegen flussabwärts, Investoren gegen lokale Gemeinden, Bäuerinnen gegen Pastoralisten und lokale Gemeinden gegen Umweltschützer*innen.

Die Covid-19-Pandemie ist eine zusätzliche Belastung für die ländlichen Gemeinden und ihre Lebensgrundlagen, da Wasser in erster Linie zum Waschen benötigt wird. Mit eingeschränktem Zugang zu Wasser und eingeschränkten Lebensmöglichkeiten können diese Gemeinden nicht die geforderten sanitären und gesundheitlichen Richtlinien einhalten. Die einzige Option ist, ihr Leben im Freien zu riskieren, während sie Wasser und Nahrung für ihre Familien suchen.

Aus diesem Grund argumentiert die Weltgesundheitsorganisation in wirtschaftlicher Hinsicht, dass für jeden in Wasser- und Sanitärversorgung investierten Dollar ein wirtschaftlicher Ertrag zwischen 3 und 34 Dollar erzielt wird. Es besteht dringender Forschungsbedarf, um festzustellen, wie ländliche Gemeinden in Trocken- und Küstengebieten auf die Covid-19-Pandemie reagieren und wie ihre Lebensunterhaltsmöglichkeiten beeinflusst wurden.

Klimawandel und Wasserzugang
Studien kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass der Klimawandel sowohl den Abfluss der Flüsse als auch die Verfügbarkeit und den Zugang zu Wasser in der ostafrikanischen Region um 40-50 Prozent beeinträchtigen wird, da die Nachfrage steigt, die Regenfälle abnehmen und Dürreperioden zunehmen. Auch unterirdisches Wasser wird davon betroffen sein, und die Kosten für die Bereitstellung von Wasser werden deutlich steigen. Selbst dort, wo Regierungen und Stakeholder Wasserreservoirs und -stauseen gebaut haben, verfügen diese Strukturen kaum mehr über Wasser, da langanhaltende Dürren den Zufluss reduziert haben.

Es wird prognostiziert, dass es in vielen Gebieten immer schwieriger wird, den Zugang zu Wasserressourcen zu gewährleisten, um den ständig wachsenden Bedarf zu decken. Man rechnet mit einer Abnahme der Niederschläge, sodass bei hohen Verdunstungsraten und häufigen Dürreperioden der steigende Wasserbedarf für Bewässerung, Industrie und Ökosysteme nicht mehr ohne weiteres gedeckt werden kann. Wenn nicht dringend koordinierte Anstrengungen unternommen werden, um das Problem anzugehen, wird die Wasserknappheit weitere Sektoren betreffen und Initiativen zur Armutsbekämpfung beeinträchtigen. Unter diesen Bedingungen werden ländliche Gemeinden im Vergleich zu ihren städtischen Pendants am stärksten betroffen und verwundbar bleiben. Die Regierungen müssen Budgets und Investitionen in den Wassersektor erhöhen, mit besonderem Augenmerk auf die ländlichen Gebiete. Politische Interessen, die die Wasserprojekte in jene Gebiete und Dörfer lenken, aus denen die Entscheidungsträger kommen, sollten kontrolliert werden und stattdessen Wasserprojekte in Gebieten mit hohem Bedarf verwirklicht werden. Kostengünstige Optionen wie das Sammeln von Regenwasser sowohl für den Haushalt als auch für die Bewässerung (Erdwall-Dämme), ergänzt durch eine effiziente Wassernutzung, sollten gefördert werden.

Vielseitige Investitionen sind notwendig
Nationale Strategien und das Engagement sowohl für regionale Agenden wie die Agenda 2063 (Aktionsplan der Afrikanischen Union) als auch für internationale Abkommen wie das Pariser Abkommen und das Sendai Framework (UN-Plan zur Minderung des Risikos von Naturkatastrophen) sollten gut miteinander harmonisiert werden. Das Klima ist zwar ein wichtiger Faktor, der den Wasserstress auf dem afrikanischen Kontinent insgesamt verstärkt, aber ein schlechtes Management der Wasserressourcen und -dienstleistungen ist eine ebenso große Herausforderung. Da durch den Klimawandel die Niederschläge unregelmäßiger werden und die Risiken von Überschwemmungen und Dürren steigen, werden Investitionen in ein besseres Wassermanagement und eine bessere Infrastruktur noch wichtiger. Diese Investitionen können Volkswirtschaften insgesamt stärken. Es ist erwiesen, dass sie eine dreifache Dividende bieten, wenn sie auf die ärmsten Menschen ausgerichtet sind: Linderung der Armut, Förderung von Arbeitsplätzen und Wachstum sowie Verringerung der Anfälligkeit für den Klimawandel. Wirtschaftlich argumentiert die Weltgesundheitsorganisation, dass für jeden in Wasser- und Sanitärversorgung investierten Dollar ein wirtschaftlicher Ertrag von bis zu 34 Dollar erzielt wird.

Was tun?
Ostafrika sieht sich mit einer wachsenden Krise der Verfügbarkeit und des Zugangs zu Wasser konfrontiert, insbesondere in ländlichen Gemeinden. Diese Situation stellt eine Herausforderung für die Bemühungen um Armutsbekämpfung und Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften dar.
Begrenzte Fähigkeiten und finanzielle Ressourcen für die Planung und Umsetzung effektiver Strategien müssen überwunden werden, um den Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserressourcen wirksam zu begegnen. Investitionen in drei Schlüsselbereiche des Wassersektors würden die Widerstandsfähigkeit der Menschen in ganz Afrika gegenüber dem Klimawandel verbessern:

1. Allgemeine und klimaresistente Trinkwasserversorgung und Bereitstellung sanitärer Einrichtungen.
2. Bewältigung des Dürrerisikos für Landwirte durch die Regierungen mittels präventiver Strategien zur Risikominderung sowie Strategien zum Umgang mit unvermeidlichen Risiken.
3. Investitionen in grüne und graue Infrastruktur – hier sollten Regierungen und Unternehmen in die Natur investieren, um einen Teil der Infrastrukturlücke zu schließen.

Sogenannte grüne Infrastrukturen haben das Potenzial, eine große Rolle bei der Bereitstellung sicherer, sauberer und regelmäßiger Wasserströme zu spielen – von Feuchtgebieten, die die Küsten vor Stürmen schützen, und Grundwasserleitern, die Wasser speichern, bis hin zu Wäldern, die die Erosion verringern und helfen, das Wasser frei von Sedimenten zu halten. Regierungen und Unternehmen können durch die Integration naturbasierter Ansätze in die konventionelle Planung von Infrastruktursystemen es nachweislich schaffen, die Wasserversorgung und -qualität sicherzustellen. Diese Investitionen haben das Potenzial, sich mit positiven „Welleneffekten" für die gesamte Wirtschaft auszuzahlen, indem sie Geld sparen und Menschen ebenso schützen wie die Ökosysteme, auf die sie angewiesen sind. Gefördert werden müssen harmonisierte und integrative Ansätze, die die Landnutzung und grüne Technologien zur Verbesserung des Wasserzugangs berücksichtigen, wie z. B. erneuerbare Energien bei Gewinnung und Erhalt von Wasserressourcen.

Diese Ansätze werden die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften erhöhen und den Fortschritt bei der Erreichung der meisten Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN (einschließlich der SDGs 1, 2, 3, 4, 6) sowie der Afrika-Agenda 2063 fördern. Gleichzeitig werden sie dazu beitragen, den Klimawandel und andere mögliche zukünftige Risiken wie Covid-19 anzugehen. Die Bemühungen, sowohl regionale als auch internationale Vereinbarungen in lokale Pläne und Strategien einzubeziehen und zu lokalisieren, sollten verdoppelt werden.

Sixbert Mwanga

Der Autor, PhD, leitet das Climate Action Network Tanzania. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute of Resource Assessment and Management, University of Dar es Salaam, Tanzania.
Kontakt: sixbert@cantz.or.tz
Sein hier leicht veränderter Beitrag erschien zuerst im afrika-bulletin, Mai 2021