PERSPEKTIVEN AUF EINE INNERE WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG SIMBABWES. Eine seit Jahren geäußerte Kritik an der Regierung Simbabwes bezieht sich auf die Machtbesessenheit der Regierung und den damit einhergehenden Niedergang des Landes – ein System eines gelungenen „State Capture", wie es Reinhard Groemping in afrika süd Nr. 5, 2020 formulierte. Anton Mlynczak führt hier die Debatte um Simbabwe weiter.
In vielen Einzelpunkten und auch in ihrer verkürzten Form stimmte die Auffassung: Trete man nur für gute Regierungsführung ein, dann werde sich schon eine gute wirtschaftliche Entwicklung einstellen, zumindest wenn auch international geholfen werde. Diese Auffassung entsteht aus dem einseitigen Blick vom Staat aus in Richtung Wirtschaft. Sie stimmt nicht: Die andere Perspektive fragt, welche gesellschaftlichen Potenziale müssen geweckt werden, um besser zu wirtschaften. Es kommt auf das Wechselspiel zwischen Ökonomie und Politik an. Was kann Simbabwe selbst tun, um sich und seine Wirtschaft stark zu machen, was können die Europäer:innen tun, um solches „Self Empowerment" zu fördern? Das sind diesmal meine Fragen.
Äußerer Druck beeinflusste manches. 2009 wurde eine Regierung der nationalen Einheit gebildet. Robert Mugabe wurde 2017 aus dem Amt entfernt und die Menschenrechtslage ist heute besser als Anfang der 2000er Jahre. Doch die grundlegende wirtschaftliche Lage ist weiterhin sehr prekär. Ausschlaggebend ist, dass kaum eine innere wirtschaftliche Entwicklung sichtbar ist. Innere wirtschaftliche Entwicklung entsteht, wenn das Land Potenziale aus sich heraus hebt und mit der Weltwirtschaft kooperiert, ohne durch sie beherrscht zu werden. Falsche, entmündigende Hilfe hemmt diesen Prozess.
Eliten können den Staat kapern, um die Potenziale eines Landes in Form von Bergbaulizenzen und vielfältigen Rechten auf Naturnutzung zu verhökern, um ausländische Hilfe durch Nichtregierungsorganisationen einzuwerben, um Devisenkredite zu bekommen. So machen sie sich ein gutes Leben mit Importwaren und schaffen sich Eigentum im Ausland, ohne das Land voranzubringen. Zwei sich ergänzende Kaperbilder drängten sich bei Mugabe auf. Sein Gushungo-Clan wurde Staatsorgan und seine Frau würde im Falle seines Ablebens als Nachfolgerin mit der Häuptlingswürde („Mutter Simbabwes") ausgestattet werden. Er selbst reiste durch die Welt mit der Bettlerschale in der Hand. Den simbabwischen Staat zu kapern lohnte sich, weil andere bezahlt haben – Hilfsorganisationen, ausländische staatliche Instanzen und Banken. Anders in China, das lange Jahre eine Politik der inneren Entwicklung betrieben hat. Mit dieser Stärke ist es in den Weltmarkt eingetreten. In China besitzt die KP den Staat zur Kontrolle über ihn und zur eigenen Bereicherung aus wesentlich im Inneren geschaffenen Ressourcen.
Simbabwe kann sich auf eine bewegte vorkoloniale Zeit mit vielen Völkern (Ethnien), wirtschaftlicher Blüte und Handelsbeziehungen in die afrikanische, arabische und asiatische Welt stützen. Ab dem neunten Jahrhundert ist diese Zeit gut erforscht. Sie zeigt mit ihren Herrscherhäusern aus Stein eine beachtliche kulturelle Blüte. Die alten Kenntnisse wirken noch: Viehzucht (Rinder), Bauhandwerk (Steinbauten), Holzbearbeitung (Möbel), Metallverarbeitung (Gebrauchswaren), Bergbau (Gold), Kunst (Skulpturen) und eine lange Händlertradition sind heute noch präsent. An die moderne, industrialisierte Welt konnte Simbabwe nur über koloniale Beherrschung und die nationale Befreiungsbewegung Anschluss finden. Eine afrikanisch getragene, innere Wirtschaftsentwicklung wurde unterbunden.
Blickt man mit etwas freierem Blick als 1980 in die Vergangenheit, so war eine Aufgabe des Staates damals nicht klar genug: Neben staatlicher Nationenbildung nach der Befreiung musste die Transformation eines durch Landwirtschaft und Bergbau geprägten Landes mit einer veralteten industriellen Infrastruktur in ein Industrieland moderner Prägung angegangen werden. Das Prinzip, im Befreiungskrieg der eigenen Kraft zu vertrauen, wurde nicht in die Ökonomie mitgenommen. Wir Europäer:innen haben wenig Verfahren gefunden, einen sich selbst tragenden wirtschaftlichen Aufbau zu fördern.
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?Das ökonomische Erbe der Siedlergeschichte
1980 war Harare (damals noch Salisbury) eine propere Stadt. Uralte, aber noch in Schuss gebliebene Busse, Rauchwolken über dem Bahnhof, die Züge fuhren, Aktivität im Industrieviertel, alles konnte repariert werden, die nächtliche Beleuchtung funktionierte. Auch viele Befreiungskämpfer in Maputo schwärmten damals von einem im Gegensatz zu Mosambik funktionierenden rhodesischen Simbabwe. Auf diese Beobachtung stützt sich die Behauptung, Rhodesien habe eine funktionierende Wirtschaft hinterlassen. 40 Jahre später schließe ich mich dem Urteil einiger Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler:innen an, dass die rhodesische Wirtschaft der sich entwickelnden Weltwirtschaft Ende der 1970er-Jahre nicht gewachsen war. Sie war eine für 300.000 weiße Rhodesier:innen funktionierende Wirtschaft auf einem Stand, den Europa Ende der 1950er-Jahre erreicht hatte.
Das damalige Rhodesien konnte sich nicht wandeln, weil es seine qualifikatorischen und intellektuellen Ressourcen nicht modernisieren und erweitern konnte und wollte. Die letzte große Einwanderungswelle weißer qualifizierter Arbeiter erfolgte nach dem zweiten Weltkrieg. Es waren ausgemusterte britische Soldaten unterschiedlichen Ranges. Afrikaner:innen wurden nur zähneknirschend zu weiterführenden Schulen und Hochschulen zugelassen. Zudem wurden sie allenfalls in Verwaltungsberufen (im weitesten Sinne) in mittleren und höheren Stufen qualifiziert. Dieser Ausbildung verdankt Simbabwe ein angelsächsisches, einigermaßen funktionierendes Gerichtswesen, wenn auch mit rhodesischen Schlacken behaftet. Aber technische Berufe waren den Weißen vorbehalten. Wenn man 1980 in Salisbury eine Druckerei einrichten wollte, dann kamen der weiße Elektriker und der schwarze Hilfsarbeiter, der weiße Klempner mit seinem schwarzen Hilfsarbeiter. Nicht zu denken, dass schwarze Menschen Positionen im mittleren und gehobenen Management oder Ingenieurswesen besetzen konnten.
Von 1972 bis 1980 war die Einwohnerzahl der simbabwischen Bevölkerung von drei auf sieben Millionen gestiegen. Heute sind es 14 Millionen. „Wohlstand für alle" ist mit dem System der Wirtschaft für 200.000 bis 300.000 Siedler:innen und einigen Millionen bis ins private Leben entrechteten Menschen nicht zu schaffen. Es ging nicht einfach um Land, sondern um die Transformation der Wirtschaft vom Land in die Industrie, vom Bergbau in die verarbeitende Industrie.
Nach 1980 machte die Siedlergesellschaft keine Anstalten, sich in den simbabwischen Staat zu integrieren. Die Wirtschaft lief großenteils als staatsinterventionistische Wirtschaft wie in Rhodesien weiter. Die weiße Gesellschaft hätte ab 1980 als Wirtschaftskatalysator des afrikanischen Simbabwe wirken können. Hat sie aber nicht. Die Landnahme beziehungsweise „Rückeroberung von Land" Anfang des Jahrtausends hat einen Zustand der schlechten Koexistenz rhodesischer Siedler:innen mit einer afrikanisch-simbabwischen Regierung gewaltsam und anarchisch beendet. Das Heft des Handelns ist seit 2000 in afrikanisch-simbabwischer Hand und Verantwortung. Es gibt jetzt 80.000 Farmen als eine mögliche – aber wenig mobilisierte – Grundlage für einen eigenen produktiven Mittelstand.
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?Das Erbe der nationalen Bewegung und des Befreiungskampfes
Die nationale Bewegung entstand als Gegenpol zur Kolonialherrschaft. Ihr politischer Bezug zur vorkolonialen Geschichte des Landes war nicht prägend. Der erste Chimurenga im 19. Jahrhundert war der Befreiungsbewegung ein Vorbote für die Bildung der simbabwischen Nation. Die vorkoloniale afrikanische Blüte in Wirtschaft und Kultur war es weniger. Das lag auch an den rhodesischen Schulen. Die Zeugen afrikanischer Geschichte wurden als biblische Tat der Königin von Saba verkauft. Zwar konnte ein Teil der Schuljugend über Lehrer wie Peter Garlake Stolz auf die eigene afrikanische Geschichte entwickeln. Die Motive, politische afrikanische Herrschaft, Freiheit, Sieg im Krieg verbanden sich aber abstrakt mit der Landfrage und überhöhten letztere.
1980 wurde die Landfrage nicht gelöst. Im Land erfuhr man von den afrikanischen Bäuerinnen und Bauern, Umsiedeln auf Siedlerland sei kein vorrangiges Bedürfnis. Sie wollten die landwirtschaftliche Produktivität erhöht sehen, zum Beispiel mit Kunstdünger. Viel Sozialromantik des Landlebens, vielleicht auch die Idee des Ursozialismus, hat die Landfrage immer in den Mittelpunkt geschoben. Doch sie ist es nicht. Der erforderliche Blick auf Simbabwes wirtschaftliche Zukunft war verstellt. Einige Eliten des Befreiungskampfes gingen davon aus, eine funktionierende Wirtschaft zu übernehmen, allenfalls den vermuteten Landhunger der Bauern befriedigen zu müssen.
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?Schnelldurchlauf durch die ersten Jahrzehnte
Das erste Jahrzehnt ab 1980, die Phase der „Reconciliation", brachte notwendige internationale Unterstützungen. Gesundheits- und Bildungswesen wurden zum Beispiel mit Hilfe von Lehrpersonal und medizinischem Personal aus Europa und aller Welt enorm verbessert. Eine bildungshungrige Bevölkerung wie die Simbabwes hat das bis heute nicht vergessen. Inneren Aufbau oder innere Expansion einer lokalen Wirtschaft regten diese Hilfen aber nicht an. Einer der Gründe lag darin, dass ehemalige Befreiungskämpfer zu ihren Familien zurückkehrten oder auf Positionen im Staat warteten. Als Manager – im eigenen Unternehmen oder angestellt –, als Ingenieur oder Facharbeiter zu arbeiten, kam ihnen nicht in den Sinn. In den weiß beherrschten Unternehmen wurden ihnen solche Positionen auch kaum angeboten.
Im nächsten Jahrzehnt setzten Regierung und Weltbank dann auf das ESAP-Strukturanpassungsprogramm. Die Hoffnung war, durch „Befreiung" der Marktkräfte und Einschränkung der Staatsausgaben die Wirtschaft zum Blühen und das Land zu Wohlstand zu bringen. Das hat nicht geklappt und endete in großen politischen Verwerfungen und der schon erwähnten gewaltsamen Landnahme, heute fast durchgängig „Fast-Track-Landreform" genannt. Verantwortungslosigkeit, persönlicher Bereicherungsdrang und wenig Verständnis für Aufgaben führten nach diesem Reset nicht dazu, dass die mit Land begünstigten Eliten dem Land angemessene Entwicklung zurückgegeben haben. Die „Fast-Track-Landreform" hat keinen stabilen Mittelstand mit einem breiten Angebot an formaler Arbeit hervorgebracht.
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?Internationale Kooperation
Fast alle Länder, die dem Kolonialismus entronnen sind, schlugen oder schlagen sich damit herum, dass sie Lieferanten von Lebensmitteln und Rohstoffen für die entwickelten Länder Europas und Amerikas waren und sind. Es klingt paradox, doch Rohstoffreichtum verleitet ein Land nicht dazu, sich zu entwickeln. Rohstoffe springen nicht von selbst aus der Erde. Die Einnahmen durch Lizenzen zu ihrer Förderung nützen nicht automatisch einem inneren Wirtschaftsaufbau, insbesondere, wenn es keine moderne produktive Schicht im Lande gibt, die den „Kaperern" Einhalt gebietet. Luxuskonsum, Statussymbole, Wohneigentum in der Londoner City, aber auch nicht bezahlte Steuern, Elektrorechnungen, subventioniertes Benzin, importierte Lebensmittel fressen Lizenzeinnahmen schnell auf.
Zu den alten Kolonialmächten hat sich China gesellt, mit hohem Ansehen in Afrika. Wenn das Europa der EU seine Position als Innovator der digitalisierten gewerblichen Wirtschaft in der Welt ausbauen will, dann wird es Interesse an Handels- und Kooperationspartnern auf Augenhöhe haben und neokoloniales Gehabe abschütteln. Gerade in Simbabwe, dem „Juwel" im südlichen Afrika, wie es Tansanias erster Präsident Julius Nyerere damals nannte.
Simbabwe kann in einer solchen Kooperation dann bestehen, wenn es seiner Bevölkerung mit ihrer Kreativität etwas zu bieten hat. Nicht nur, aber auch in Tradition der Fähigkeiten des vorkolonialen Simbabwe betreibt ein Anteil von zwei Dritteln der arbeitenden Bevölkerung so etwas wie eine informelle Wirtschaft und sorgt für das Nötigste. Die Analphabetismusrate ist gering. Es gibt genügend gut ausgebildete Schul- und Hochschulabgänger:innen, die zum Teil ins Ausland abwandern. Das trifft auf eine im Land gering ausgebildete Kultur des Akkumulierens und des Organisierens von längerfristigen Prozessen – mit Ausnahmen natürlich, zum Beispiel der Rinderzucht.
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?Produktive Strukturen kreieren und stabilisieren, aber welche?
Weil Simbabwe in die Weltwirtschaft eingebunden ist, hat es keine 400 Jahre Zeit zur Industrialisierung wie wir in Europa. Für produktive moderne Strukturen braucht es vorhandene Muster, in die man sich mit seinen Eigenheiten einpassen oder aus denen heraus man sich entwickeln kann.
Beim Aufbau von Betriebskenntnissen zur Organisierung und Leitung von Farmen scheint Simbabwe auf einem guten Weg zu sein. Die Hochschule von Chinhoyi macht einen guten Eindruck und verbindet Agrarwissenschaft mit Produktion. Ein Beispiel hierbei ist der Tabakanbau. Seine Tradition reicht in Simbabwe in die Zeit vor der Siedlerherrschaft zurück. Seit 2005 sind Lieferketten ins Ausland über Verträge und fachliche Unterstützung durch US-amerikanische und chinesische Konzerne gesichert. Im Jahr 2020 wurde die größte Tabakernte seit dem Tabakanbau in Rhodesien/Simbabwe eingefahren. Allerdings: Die Weltmarktpreise sinken.
Ein großer Teil der formell angestellten Arbeiter:innen im Land ist zu eher schlechten Löhnen im Tabakanbau beschäftigt. Tabakanbau und Tabakernte sind arbeitsintensive Prozesse. Die sinkenden Weltmarktpreise drängen nach Innovationen, die durch niedrige Löhne gehemmt werden. Als Exporteure kommen Großfarmer an Devisen. Spontan wird das Notwendigste fast allein im Ausland beschafft. Damit eine eigene Serviceinfrastruktur und keimhafte Ausrüstungsinfrastruktur für die Farm und für die Orte in der Umgebung entstehen, sind Anreize der Regierung für Joint Ventures eigener mittlerer Firmen mit ausländischen Serviceunternehmen erforderlich. Europa könnte das zu einem der Kooperationsfelder machen.
Die Erweiterung des Kohlebergbaus in Hwange wurde gestoppt, damit das Tourismusjuwel Hwange-Nationalpark nicht beschädigt wird. Simbabwe benötigt Kokskohle und Chemieprodukte aus Kohle wie ökologische Plastikfolien – für die organische Landwirtschaft – und andere Materialien aus Kunststoff. Statt mehr Kohle abzubauen, würde intensivere Kohlenutzung in der weiterverarbeitenden Industrie dem Land Importe ersparen. Kokskohle würde die Verbrennung in Kraftwerken verbessern; das Fermentieren des Tabaks beispielsweise wäre mit solaren Wärmequellen möglich. Selbst wenn es im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung zu kostenintensive Verfahren wären, aber es könnten Devisen gespart werden und europäisches Verfahrenswissen könnte nach Simbabwe fließen. Ein innerer Markt könnte auch für europäische Koinvestoren lukrativ sein.
In der Energiewirtschaft rund um den Tourismus könnten internationale Expertise und simbabwische Kreativität für sichere und schön in die Natur eingepasste alternative Energieversorgung stehen: zum Beispiel mit schön gestalteten Solarpanels statt welchen, die die afrikanischen Bungalows verschandeln. Farmen und ländliche Regionen müssen mit heimisch hergestellten Produkten versorgt werden. Im Gegenzug muss ihnen die Abgabe landwirtschaftlicher Produkte an eine lokale Lebensmittelindustrie möglich sein. Für all das kann Europa ein guter Kooperationspartner sein und zwar mit modernen Mitteln. Entscheidend ist, dass die Simbabwer:innen sagen, was sie nachhaltig selbst tun wollen und auf welchen Gebieten, bei privatem simbabwischen Investment. Europäische Unternehmen müssen ihre Chance in Simbabwe als Teil des südlichen Afrika suchen können, dafür aber zur Entwicklung von Prozesswissen und guter Prozessorganisation beitragen.
?Simbabwes Bevölkerung – die Jugend und Arbeitsplätze
Drei Viertel der simbabwischen Bevölkerung sind jünger als 35 Jahre. Die ältere Generation der Gründer Simbabwes stirbt aus. Die damals jungen Befreiungskämpfer werden 65 Jahre und haben es kaum geschafft, industrielle Strukturen zu erschaffen. Simbabwe hat ein gutes Bildungswesen, kluge Leute, aber keine Arbeitsplätze. Vor einigen Jahren hat der konservative Botschafter und Afrikakenner Seitz vorgeschlagen, in afrikanischen Ländern Zentren für die Ausbildung von Facharbeit zu errichten, also Goethe-Institute für Produktion und Technik. Simbabwe hat einige Schulen und Hochschulen für die berufliche Qualifikation. Trotzdem wäre ein solches Zentrum zum Beispiel in Harare sinnvoll, wenn eine der Technischen Schulen dazu die Initiative in Kooperation mit europäischen Institutionen ergriffe. Ein Gürtel von profitablen Manufakturen in der Umgebung, die von simbabwisch-europäischen Firmen betrieben werden, ermöglicht der Jugend, in eigenen Wirtschaftsunternehmen kompetent zu werden. In Europa, im Ruhrgebiet, dem Gebiet, wo Kohle und Stahl Geschichte sind, gibt es als Transfermodell das Vorbild der Universitätsgründungen mit sich darum entwickelnden Start-Ups. Dies wäre durchaus eine Ergänzung zu herkömmlicher deutscher dualer Ausbildung von Facharbeiter:innen und Ingenieur:innen.
?Fazit
In Simbabwe – anders als in Südafrika – sollte das Augenmerk auf der Gründung von mittelständischen Unternehmen möglichst in Verbindung mit europäischen gelegt werden. Die südafrikanischen Automobilfabriken wie Daimler und VW betreiben einen regen Austausch nach Europa. Rund um die Industrie 4.0 kann sich industrielles Prozesswissen entwickeln, es entstehen dort Dienstleistungsbetriebe rund um die Fabriken. Ausländische Großinvestitionen in Simbabwe sind erforderlich. Aber sie werden nicht die arbeitsorganisatorische Vernetzung mit Europa ermöglichen. Sie werden häufig mit Rohstoffen bezahlt. Projektentscheidungen dauern äußerst lang und Projektvergaben sind sehr anfällig für Korruption.
Insofern ist die Politik der schrittweisen Ablösung von Entwicklungshilfe durch Unternehmenskooperationen bei kleinen und mittleren Unternehmen gut aufgehoben. Wie und unter welchen Bedingungen europäische Kredite und Sicherheiten vergeben werden, ist unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ein wichtiges, heimisches politisches Feld für die Solidaritätsbewegung mit Afrika. Simbabwer:innen lieben die Freiheit. Vielleicht haben sie auch Lust, diese Eigenschaften mit europäischer Akkumulationswut, Investitionslust und gut organisierten Prozessen zu verbinden. Nicht umsonst lieben die städtischen Simbabwer:innen Bildung, Medien und Medienproduktion und haben ein gutes und gut betreutes Mobilfunknetz. Simbabwe hat es nicht nötig, um Hilfe zu betteln.
Noch hat das südliche Afrika stabile Grenzen, leidet aber schon unter den islamistischen Einfällen in Cabo Delgado (Mosambik). Europa kann gestützt auf seine Innovationskraft gerade für den simbabwischen Mittelstand gute Partner bieten, wenn es bei Bürgschaften für Investition darauf achtet, dass zwei solide und nachhaltig denkende Partner zusammenkommen, wenn es Handels- und Investitionserleichterungen mit Simbabwes Regierung aushandelt und Eigentumsgarantien in Simbabwe durchsetzt. Ebenso muss es auch Eigentumsgarantien geben für simbabwisches Land. Gruppen von jungen afrikanischen Migrant:innen in Europa verlangen, Entwicklungshilfe in profitabel wirtschaftliche Kooperation auf Gegenseitigkeit zu verwandeln. Dieser Forderung kann man sich nur anschließen.
Anton Mlynczak
Der Autor ist, Berater bei Systemarchitektur, war von 1978 bis 1980 Project Manager beim Zimbabwe Printing and Publishing House und später jahrelanger Bildungsreferent bei der IG Metall.