Heft 5/2022, afrika süd-dossier: Glaube und Religion

Koloniales Erbe der Missionierung im Kongo

ROM IST NOCH IMMER MÄCHTIG. Die Missionierung des Kongo ging mit der Etablierung eines Machtgefälles nicht nur zwischen den Missionaren und den Kongoles:innen einher, sondern setzte eine solche auch innerhalb der kongolesischen Gesellschaft durch. Dies lässt sich auch heute noch beobachten: Der Reichtum der Kirchen ist genauso wie früher abhängig von ausländischen Geber:innen, verschleiert aber diese Tatsache.

Von Kentey E. Pini-Pini Nsasay

Die Frage des kolonialen Erbes wird in der belgischen und kongolesischen Öffentlichkeit unterschiedlich wahrgenommen. Dies führte im Jahr 1960 zu einer Konfrontation zwischen dem belgischen König Baudouin I. und dem kongolesischen Premierminister Patrice Lumumba. Denn während der König die Kongoles:innen unter Verweis auf verschiedene Errungenschaften der Belgier:innen im Kongo zur Dankbarkeit aufforderte, wies Patrice Lumumba diesen Anspruch kategorisch zurück und beschuldigte das belgische Kolonialregime, eine Herrschaft der Unterdrückung und Ausbeutung gewesen zu sein, die von Sklaverei, Landraub und Tötungen geprägt war. Auch die Missionierung stellt sich in Bezug auf ihre Auswirkungen in ähnlich problematischer Weise dar. Denn zwischen Kolonisierung und Missionierung gibt es keine Grenze, beides läuft auf das Gleiche hinaus. Godfried Danneels, der ehemalige Erzbischof von Mechelen-Brüssel, stellte sich 2006 gegen Lumumba und auf die Seite der Kolonisierung, indem er die Errungenschaften der Missionare als einen „positiven Beitrag" bezeichnete.

Strategien der belgischen Missionierung

Was die Missionierung des kongolesischen Freistaats, Belgisch-Kongo und deren Verbindung mit dem Kolonialregime betrifft, so ist bekannt, dass es Leopold II. selbst war, der bei der belgischen Bischofskonferenz und beim Papsttum vorsprach, um das Bataillon der Kongregationen zu gewinnen, das den Kongo überrollen sollte. Viele religiöse Institute wurden zu dieser Zeit für den Kongo gegründet, wo ihnen riesige Gebiete zugesprochen wurden, die der Bevölkerung gewaltsam entrissen wurden. Dieses Land, das nach dem Vorbild der Konzessionsgesellschaften in den Grundbesitz der Missionen (Kongregationen) überging, umfasste Wälder, Savannen und Bäche. Bis heute besitzen die Kongregationen sowohl in Kinshasa als auch überall sonst im Kongo riesige Grundstücke aus dieser Zeit. So entzieht sich ein erheblicher Prozentsatz des Staatsgebiets sowohl der Bevölkerung als auch dem Staat selbst, da es Eigentum der Kirche ist, das somit zu einem Staat im Staat wurde. Nichtsdestotrotz sind diese einkassierten Gebiete Orte, an denen die Bevölkerung lebt und arbeitet. Die den Missionen räumlich nahestehenden und geschädigten Bevölkerungsgruppen haben sich daher seit der Kolonialzeit und bis heute nie mit diesen geeinigt und fordern weiterhin ihr geraubtes Land zurück.

Zudem gestalteten sich jene beschlagnahmten Gebiete in gewisser Weise als Arbeitslager für die kongolesische Bevölkerung. Denn sie wurden gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen und ihre Arbeit aufzugeben, um die Missionen zu errichten. Die Missionare selbst arbeiteten schließlich nicht mit ihren Händen. Und selbst wenn sie es gekonnt hätten, wäre es aufgrund ihrer begrenzten Personenanzahl nicht möglich gewesen. Dank der unbezahlten Arbeit anderer besaßen sie schöne, solide Häuser mit Strom und fließendem Wasser. Sie hatten Dutzende von Beschäftigten, die für sie arbeiteten, darunter Diener:innen, Fahrer, Gärtner, Mechaniker, Straßenarbeiter, Lehrer:innen usw. Sie mischten sich nie unter die Bevölkerung, sondern lebten im Gegenteil sehr zurückgezogen. Ihre Häuser waren umzäunt und sie waren stets pünktlich zu den von ihren Diener:innen zuverlässig und mit Glöckchen servierten Mahlzeiten.

Die Dorfbewohner:innen, die sogenannten Katechumenen, hingegen mussten für sie arbeiten, hektarweise unberührtes Land abholzen und dort die Missionen errichten, denn die Missionare entschieden sich oft dafür, in der Nähe von Flüssen oder Bächen in unbewohnten und oft widrigen Gegenden zu wohnen. Zuerst musste also der Wald abgeholzt werden, dann wurde der Boden umgegraben und lehmige Erde angehäuft, um nach dem Holzhacken und Entflammen der Öfen Ziegel zu brennen. Diese Ziegel mussten auf den Köpfen der Arbeiter:innen zum Bauplatz transportiert werden, der ein oder zwei Kilometer entfernt sein konnte. Dort wiederum musste bei der Errichtung der Missionen mitgearbeitet werden, beginnend mit dem Haus der Missionare, dann die Kirche, die Werkstätten, die Schlafräume, die Klassenzimmer und das Lager der Beschäftigten, zu denen auch die Lehrer:innen gehörten. Nach Aussagen von Älteren war der Transport der Ziegelsteine eine anstrengende und mühsame Arbeit.

Komfortabler Lebensstandard der Missionare

Wenn die Missionare in die Dörfer zogen, um die Menschen zu taufen, waren sie immer motorisiert. Anfangs ließen sie sich mit einem Tshipoy, einem auf den Schultern getragenen Chefsessel, von einem Dorf zum anderen transportieren, um nicht zu Fuß zu gehen. Später begannen sie, sich Motorräder anzuschaffen, und schließlich Geländewägen. In den Gebieten, die sie untereinander aufgeteilt hatten, die sich über Hunderte von Kilometern erstrecken konnten und die die Grenzen der Mission oder das Arbeitsfeld der Missionare bildeten, waren sie die einzigen, die Fahrzeuge, elektrischen Strom und fließendes Wasser besaßen.

Der Lebensstandard in den Missionen war mit dem der kolonisierten Kongoles:innen keineswegs zu vergleichen. Während die Bevölkerung zwar zu bestimmten Zeiten die Wasserzapfstellen in der Mission nutzen konnte, war dies in den Dörfern, in denen es weder Krankenstationen noch Schulen gab, nicht die Regel. In keinem Dorf gab es jemals elektrischen Strom oder fließendes Wasser. Denn die Dörfer, Orte des traditionellen Lebens der Afrikaner:innen, galten als Wohnorte der Heid:innen und des Satans, vor denen man zu fliehen hatte. So kam es, dass Kinder ihre Dörfer und ihre Eltern verlassen mussten, um in der Mission unterrichtet zu werden. Die Entfernungen zwischen den Dörfern und der Mission betrugen oft zwischen 20 und 100 km für Grundschulen und sogar weitaus mehr für weiterführende Schulen (meist 1. und 2. Sekundarstufe). In den Dörfern wurden die Missionare von ihrer Ankunft bis zu ihrer Abreise vollständig von den Dorfbewohnern versorgt, die ihnen die besten Speisen (Hühner, Eier, Fleisch) und Wasser zum Baden anbieten mussten; die Missionare aßen allein und wurden von den Dorfbewohner:innen wie von Untergebenen bedient. Sie teilten ihre Mahlzeiten nie mit den Dorfbewohner:innen und nahmen auch niemals an deren Mahlzeiten teil. Niemals.

Spaltende Schulerziehung

Die Schulen sind die Quelle von Diskriminierungen, unter denen der Kongo bis heute leidet. Sie unterteilten die Bevölkerung in diejenigen, die studiert hatten und somit zu den Privilegierten, den Weißen (mindele-ndombe) aufgestiegen waren, und in alle anderen, die Dorfbewohner:innen (banzenzi, makaques) blieben. Diese Kategorisierung der Bevölkerung fand und findet immer noch zu Lasten der Dorfbewohner:innen statt, die von den Privilegierten, die studieren konnten, verachtet werden, genauso wie es die Missionare taten. Auch heute noch betrachtet die Missionsschule die Dorfbevölkerung und deren Kultur als rückständig und unbedeutend. Das Resultat dieser Sicht ist, dass viele kongolesische Eltern, die diese Schule besucht haben, ihren Kindern das Sprechen kongolesischer Sprachen zu Hause und auch das Besuchen der Dörfer verbieten. So träumen viele Kongoles:innen häufiger von Europa als von ihrem eigenen Land, das sie ohne Gewissensbisse verlassen würden, um nach Europa zu gehen. Ihrer Meinung nach ist es der Ort schlechthin für ein menschenwürdiges Leben – im Vergleich zu ihren Heimatdörfern, die sie eher als Orte der Verdammnis wahrnehmen.

Im Allgemeinen lehrt die Missionsschule den Kongoles:innen, sich selbst und ihre Kultur zu verachten. Sie weist den Missionaren die Rolle der Vorfahren und Jesus Christus die Rolle der Tradition zu. Dies führt zu einer beispiellosen Erschütterung der Gesellschaft, die heutzutage völlig verloren und ohne wirkliche Anhaltspunkte verbleibt. Das Christentum fördert vor allem die göttlichen Ambitionen bestimmter Personen, die sich durch List, Propaganda, Einschüchterung und sogar Grausamkeit (Inquisition) den Status einer Person Gottes aneignen.

Im Kongo sind die Missionsgebiete bis heute erhalten geblieben. Denn während andere Siedler:innen nach der Unabhängigkeit ihre Zelte abbrachen und in ihre Heimat zurückkehrten, blieben die Missionare ihrem Lebensstil und ihrer Ideologie unverändert treu. Durch sie wurden die Kolonisierung und die Sublimierung der weißen Überlegenheit fortgesetzt und haben überdauert.

Heute, da die Missionare tot sind, wird das Missionswerk von Kongoles:innen fortgeführt, die speziell hierfür rekrutiert und ausgebildet wurden. Es gibt viele kongolesische Priester, Ordensleute und Nonnen, die die Arbeit der Missionare und ihre Gewohnheiten im gesamten kongolesischen Hoheitsgebiet aufrechterhalten. Sie nehmen die Missionen, die Häuser der Missionare und ihr Vermögen ein. Sie lesen Messen, rezitieren aus Brevieren (Gebetsbücher) und spenden Sakramente, wie es die Missionare taten. Auch sie beschäftigen alle Arten von Angestellten in ihren Diensten und lassen sich bei Tisch mit Glöckchen bedienen. Sie verbreiten die französische Sprache, die als die wahre Sprache der eigentlichen Menschen und als Sprache der Evolution dargestellt wird.

Die kongolesischen Bischöfe, die den Soutanen (geistliches Obergewand), roten Gürteln, Ringen, roten Mützen, europäischem Geld (Entwicklungsprojekte), Weltreisen, Luxusautos und -häusern verschrieben sind, werden alle vom Vatikan nach dessen eigenen Kriterien ernannt. Viele dieser Diktatoren fürchten sich vor nichts und niemandem, da ihre enorme Macht aus anderen Quellen stammt, genau wie bei kongolesischen Politiker:innen. Die Kirche im Kongo ist von der Gnade der römischen Dikasterien (Kirchenämter) und somit von der Macht des Vatikans abhängig. Um diesen noch mehr zu schmeicheln, gibt es im Kongo übrigens bis heute sonntags lateinische Messen für „Intellektuelle", genau wie zur Zeit der Apartheid in Südafrika und den USA. Das Christentum und die Missionare haben die einst homogene und harmonische kongolesische Gesellschaft demnach in zwei Hälften geteilt: die privilegierten intellektuellen Erben des kolonialen Modells, die alle Macht an sich reißen und die Bevölkerung schikanieren, und jene, die im Stich gelassen wurden und im Elend zu verweilen haben.

Koloniales „Erbe" in Belgien

Was das koloniale Erbe als solches betrifft, können wir unter Bezugnahme auf seine Etymologie und seinen Gebrauch sagen, dass dieses eigentlich vielmehr in Belgien zu finden ist und nicht im Kongo, wo die Bevölkerung eher ratlos als glücklich darüber ist. Die Kolonist:innen hatten bereits in Belgien riesige Reichtümer und Besitztümer angehäuft, wo sie ein überdurchschnittlich wohlhabendes Leben führen. König Leopold II. selbst war zu immensem Reichtum gelangt, der ihm einen extravaganten Lebensstil ermöglichte. Bei seinem Tod vermachte er sein Vermögen der königlichen Familie, seinen Mätressen und seinen Freunden. Die Handelsgesellschaften, die im Kongo während der Zeit des Freistaats und des Regimes von Belgisch-Kongo agierten, brachten ihre riesigen Vermögen ebenfalls nach Europa.

Auch Belgien als Land an sich hat insbesondere in Form der vielen riesigen Bauten, die im Land selbst errichtet wurden, diese quasi als koloniales Erbe übernommen. Es wurden Museen gegründet, darunter das Museum von Tervuren und die Zoologischen Gärten in Antwerpen, deren Objekte und Tiere unentgeltlich aus dem Kongo entnommen wurden und die bis heute dort stehen. Das Königliche Museum für Naturwissenschaften besitzt in seinen Sammlungen den weltweit ersten Beleg für die Erfindung der Mathematik, den „Stab von Ishango", der über 20.000 Jahre alt und kongolesischen Ursprungs ist. Auch dieser wurde wie unzählige andere Reichtümer aus dem Kongo entwendet.

Das Eisenbahn- und Straßennetz, die Schifffahrtswege, Schulen, Gesundheitszentren und der Bau von Städten, wie es zu Beginn der Unabhängigkeit der Fall war – kann all das wirklich als vorbildlich und als ein Zeichen von Besitz gedeutet werden, der das Leben der nun befreiten Kongolesen zu bereichern vermocht hätte? Das wäre möglicherweise der Fall gewesen, wenn denn nur all diese Infrastruktur auch von Kongoles:innen für Kongoles:innen gebaut worden wäre. Dem war jedoch nicht so. Zumeist waren es die Belgier, die diese Infrastruktur für sich selbst und ihre Zwecke bauen ließen.

Wie die Missionen wurden auch die Städte oft an Flussufern gebaut, unhygienische Orte, die paradoxerweise die Grundlage für die Ausbreitung von Epidemien und Endemien bildeten, die die afrikanische Bevölkerung zuvor nicht kannte. Der Fall der Stadt Kinshasa ist hierfür sehr illustrativ. Diese Stadt, die zum Zwecke der Kolonisierung errichtet wurde, birgt alle Zutaten für einen explosiver Cocktail endemischer Unterentwicklung. Der Ort ist sandig, sumpfig und hügelig. Zudem befindet sich das Stadtzentrum – in dem sich alle wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und schulischen Aktivitäten konzentrieren und das der Wohnort der ehemaligen Kolonialherren war – , völlig dezentral im äußersten Norden und weit entfernt von den wichtigsten Wohnorten der kongolesischen Bevölkerung. Dadurch entsteht ein skandalöses Ungleichgewicht, dessen Hauptopfer die sogenannte Randbevölkerung ist – obwohl sie sich physisch sogar im Zentrum der Stadt aufhält.

Die Eisenbahn- und Wasserstraßeninfrastruktur, wie die Matadi-Kinshasa-Strecke, wurde nicht ausgebaut, um Gemeinschaften miteinander zu verbinden, sondern um den Reichtum des Kongo schneller nach Europa abtransportieren zu können. Heute ist dieses „Erbe", dieses Modell der Infrastruktur, katastrophal. Es führt zu einer endemischen Unterentwicklung. Straßen werden oft von ausländischen Gesellschaften gebaut. In gerader Linie führen sie an wichtigen Dörfern und Siedlungen völlig vorbei und führen insofern zu deren Zerstörung, als dass die Menschen scharenweise abwandern, um näher an der Infrastruktur zu siedeln. Es entstehen Geisterdörfer, in denen Morallosigkeit und Freizügigkeit herrschen, ganz zu schweigen von dem Problem, dass es aufgrund der schlechten Lage (weit weg von Wäldern und Bächen) dort an Nahrung mangelt. Dies führt zu sozialen Ungleichgewichten, die die Entwicklung behindern. Generell ist die koloniale Infrastruktur im Kongo vergleichbar mit derer des Atlantikwalls, den Deutschland mit seiner Kolonisierung Frankreichs von 1940 bis 1945 errichtete. Er war für die Kolonialisierung vorteilhaft, nutzt aber jetzt, da Frankreich befreit ist, zu nichts mehr. Frankreich hat übrigens die meisten der deutschen Hinterlassenschaften ihrem traurigen Schicksal überlassen.

Sabotierter Neustart

Um auf das koloniale Erbe zurückzukommen: Hätte ein solches tatsächlich existiert, wäre es am 30. Juni 1960 zu einer Machtübergabe zwischen einer scheidenden und einer neuen Regierung gekommen. Aber seit der Gründung der Internationalen Afrika-Gesellschaft (Association Internationale Africaine, AIA) im Jahre 1876 bis zum 30. Juni 1960 hatte es im Kongo niemals eine wirkliche Regierung gegeben. Und bis zu diesem Datum war zudem nie auch nur ein kongolesischer Minister an der belgischen Regierung beteiligt gewesen. Als der Kongo seine Unabhängigkeit erlangte, erbte er also weder finanzielle Ressourcen, noch eine Armee oder Polizei, noch Gerichte. Es gab auch keine Führungskräfte in der Verwaltung, keine Schuldirektoren oder andere Verantwortliche. Der Kongo begann also bei Null und musste sich aus dem Nichts heraus aufbauen. Wenn es hingegen ein Erbe gibt, fängt man nicht bei Null an. Ganz im Gegenteil.

Doch mehr noch. Nur wenige Tage nach der Unabhängigkeit versetzte Belgien, das sich seiner Macht sicher war und die Schwäche des jungen Staates ausnutzte, dem Land tödliche Schläge: die Verhaftung und Ermordung der führenden Politiker, darunter des Premierministers; die Absetzung des Parlaments, des Senats und der Regierung; der Einsatz der belgischen Para-Commandos, der von den Vereinten Nationen verurteilt wurde; die Abspaltung von Katanga und Kasai; die Einsetzung einer Marionettenregierung in Kinshasa, die aus ehrgeizigen, entfremdeten und politisch unerfahrenen jungen Studierenden bestand, den sogenannten Kommissaren. Das Ziel bestand offensichtlich darin, die Unabhängigkeit des Landes zu sabotieren.

Abschließend sollte die Bedeutung der Kolonisierung selbst hinterfragt werden. Premierminister Patrice Lumumba beschrieb sie als ein Regime der Sklaverei, der Unterdrückung und der Ausbeutung. Das sind die Bezeichnungen für das inquisitorische Regime, das in Europa herrschte, es prägte und es aussendete, um die Welt zu erobern. Die kolonialen Methoden sind dieselben wie die der päpstlichen Inquisition, und auch die Ergebnisse sind dieselben. Das Inquisitionsregime wird jedoch von allen Historiker:innen als das Regime beschrieben, das Europa in Dunkelheit und Barbarei gestürzt hat. Die Menschen in Europa haben bis heute Mühe, sich von dieser schrecklichen Last zu befreien. In regelmäßigen Abständen macht sie sich wieder bemerkbar, so auch jetzt, wo sich die politischen Extreme verhärten und Vorstellungen von Herrschaft und Absolutismus wieder aufgegriffen werden. Nun ist das Kolonialregime in seinem Wesen und in seiner Umsetzung absolutistisch und diktatorisch. Aus diesem Grund ist die Beibehaltung des kolonialen Modells, das den verschiedenen kongolesischen Regierungen seit der Neutralisierung der Macht Lumumbas und seines Projekts aufgezwungen wurde, kollektiver Selbstmord.

Der Autor ist Politikwissenschaftler, Theologe und Philosoph an der Université de Bandunu in der Demokratischen Republik Kongo. Er ist Autor der Bücher La mission civilisatrice au Congo (2013), La Renaissance Africaine 2017 und L'Afrique en coma (2022)

Übersetzt aus dem Französischen.