Ein Überblick über den Glauben in Simbabwe von der Vorkolonialzeit bis heute. Auch wenn das Christentum heute stark verbreitet ist, wird der traditionelle Glauben parallel gelebt. Denn er ist mehr als eine Konfession. Er ist Teil des Lebens, in der die Gemeinschaft eine große Rolle spielt. So sorgt Mwari, der Gott der Shona, für diese und schützt sie. Während insbesondere die evangelikalen und pfingstlerischen Kirchen eine große Anhängerschaft haben, wachsen die in Afrika initiierten Kirchen, die traditionelle Praktiken integrieren. Dabei gibt es durchaus einen Wettbewerb der Deutungshoheit, der auch zu Verwirrungen führt.
Von Collins Shava
Die Menschen in Simbabwe sind sehr religiös. Dies manifestiert sich in verschiedenen Bereichen ihres Lebens, wie der Heilung, Geburt, Tod, Reisen, Jagen und vielem mehr. Die meistverbreitete religiöse Gruppe ist heute das Christentum, zu dem sich 86 Prozent der Bevölkerung bekennen. Elf Prozent bezeichnen sich laut dem US-Report über Religionsfreiheiten als nicht gläubig, schätzungsweise zwei Prozent als traditionell gläubig und ein Prozent als muslimisch. Die Zahlen, obwohl etwas vage und nicht verlässlich, beschreiben, wie die Gesellschaft sich selbst wahrnimmt. Es sind aber auch administrative Gründe, die die meisten Leute veranlassen, sich als Christ:innen einzuordnen. Darüber hinaus haben sie häufig weitere religiöse Auffassungen, einige praktizieren parallel immer noch ihren traditionellen Glauben, andere sind in Kirchen, die nicht an Jesus Christus, dennoch aber an das Wort Gottes glauben. Von der vorkolonialen bis zur postkolonialen Zeit lassen sich deutliche Glaubensveränderungen feststellen. Der Aufstieg des Christentums in Simbabwe lässt sich bis ins späte 18. Jahrhundert zurückverfolgen, als die weißen Siedler:innen kamen, um das Land zu kolonisieren.
Das Wirken von Mwari
In der Literatur besteht eine Tendenz anzunehmen, dass Afrikaner:innen vor der Kolonialzeit keine bekannte Religion hatten. Jedoch hatten die Einheimischen in Simbabwe ihre eigene Art, mit Gott zu kommunizieren, den sie mit verschiedenen Namen ansprachen. Sie nannten ihn zum Beispiel Musikavanhu oder Mwari in Shona (Schöpfer der Menschheit), uNkulunkulu in Ndebele (der Große) und Nacilenga in Tonga (der Schöpfer). Alle diese Namen zeigen, dass Gott von den Menschen hoch geachtet wurde. Forschungen zum Mwari-Kult im damaligen Rhodesien erfassen die Vorstellungen der Shona von Gott bzw. Mwari. M.L. Daneel (1970) zeigt darin auf, dass die Shona im Gegensatz zu anderen glaubten, dass Mwaris erstes Anliegen die Gemeinschaft war, nicht seine einzelnen Mitglieder als Individuen, und betont weiterhin das Wirken Gottes in Zeiten nationaler Krisen, in denen seine Anwesenheit als sehr real empfunden wurde und seine Gebote sowohl mit moralischen als auch politischen Verpflichtungen verbunden waren.
Es wird beschrieben, dass von allen süd- und ostafrikanischen Volksgruppen die südlichen Shona den ausgefeiltesten Kult zur Anbetung und Konsultation des Höchsten Wesens haben. Mwari gilt als die letzte Instanz nach den Ahnen. Bei den Shona wurde bzw. wird Mwari sowohl als männlich als auch als weiblich angesehen. Begriffe wie Dziva (Wasserbecken mit einer direkten Konnotation von Regen), Mbuya (Großmutter) und Zendere (eine mythische junge Frau, die als Emanation von Mwari angesehen wird) repräsentieren die weiblichen Aspekte von Mwari. Dies lag vor allem an der Rolle, die Gott bei den Mysterien der Fruchtbarkeit spielte. In männlicher Zuschreibung wird er als Sororezhou (Kopf des Elefanten), Wokumusoro (derjenige, der über allem ist) und Nyadenga (derjenige, dem der Himmel gehört) angesehen. Als Mann war er der Vater, der besitzt und versorgt.
Bei den Shona ist bzw. war Mwari vielleicht weniger direkt in das Alltagsleben der Menschen involviert, dafür aber hauptsächlich bei Angelegenheiten von gemeinschaftlicher Bedeutung. Es wird angenommen, dass Mwari das Leben im von den Shona bewohnten Territorium kontrolliert. Er sorge für Regen und schütze die Dörfer vor Heuschrecken und anderen Plagen. In Krisen- oder Kriegszeiten spreche Mwari auch durch spirituelle Medien. Aus diesem Grund würdigt und gedenkt das Land bis heute Sekuru Kaguvi („Großvater" Kaguvi) und Mbuya Nehanda („Großmutter" Nehanda). Diese spirituellen Medien wurden und werden noch immer als Beschützer:innen und Versorger:innen der Lebenden betrachtet.
Der Mwari-Kult hat also die Lebensweise der Shona weitgehend durch spirituelle Medien geprägt. In jeder der Volksgruppen konnten die Menschen mit Mwari kommunizieren und seine Botschaften über die spirituellen Medien erhalten.
Die Anfänge der christlichen Missionierung
Die ersten Missionare kamen mit den Jesuiten im 14. und 15. Jahrhundert in Simbabwe an, machten aber zunächst keine großen Fortschritte. Geschichtliche Erwähnung fand beispielsweise Gonçalo da Silveira, ein portugiesischer Missionar im 15. Jahrhundert. Seine Überzeugungen stellten die sozialen und politischen Vorstellungen der Shona in Frage. Die Betroffenen, wie die Hofräte, waren jedoch zu mächtig, überwanden daher die potenzielle Bedrohung, die er darstellte, und erhängten ihn schließlich.
Die Pionierkolonne um die 1890er-Jahre mit katholischen Missionar:innen und Anglikaner:innen kam mit der Vorstellung, ihre eigene Religion, das Christentum, zu verbreiten und eroberten das Gebiet von Lobengula (Matabeleland). Die Invasion und Beschlagnahmung von Land, die mit Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber den Afrikaner:innen einherging, die Heuschreckeninvasion von 1895, der Anstieg von Tierseuchen wie Lungenkrankheit und Rinderpest, die afrikanische Haustiere und Menschen auslöschten, lösten 1896 den Aufstand der Einheimischen gegen die kolonialen Eindringlinge aus. Nach einem Jahr verloren die Simbabwer:innen den Krieg, wurden zu kolonialen Untertanen und die Missionarsregister begannen sich mit Neubekehrten zu füllen.
Das Ende des Krieges markierte das Ende der alten Strukturen und leitete eine neue kapitalistische Ordnung ein, wie Chitando, Gunda und Kügler (2014) hervorheben. Die Afrikaner:innen mussten sich hierfür umstellen. Ihre Kosmologie und Gottheiten zogen sich scheinbar zurück. Um Konflikte zu vermeiden, einigten sich protestantische Missionare darauf, ihre Territorien aufzuteilen. Die Lutheraner besetzten zum Beispiel den Süden des Landes, die Methodisten den Osten und andere gingen in den Norden und Westen des Landes.
Spirituelles Fundament
Das Christentum wuchs in die simbabwische Gesellschaft hinein und übernahm einige der kulturellen Praktiken der Einheimischen. Die Kirche in Simbabwe ist nicht auf einem westlichem Fundament entstanden, sondern war ortsgebunden und erbte die lokale Lebensweise. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Praktiken des Christentums in Simbabwe bis heute stark von denen in westlichen Ländern. Während in vielen Kirchen weltweit beispielsweise die LGBTIQ-Thematik nicht akzeptiert wird, gibt es in verschiedenen Religionsgemeinschaften einige Diskussionen darüber, welche Position zu vertreten ist. Da das Thema in Afrika als Tabu bis hin zu einer Straftat behandelt wird, auf die die Todesstrafe steht, bleibt es hier aber schwierig, sich damit zu befassen. Denn in den afrikanischen Kulturen, aus denen die Menschen ihre Identität beziehen, ist diese Lebensform weiterhin völlig inakzeptabel. Die traditionelle afrikanische Religion ist bzw. war für die Simbabwer:innen nicht nur eine Konfession, sondern sie hat einen großen Teil ihres täglichen Lebens geprägt und beeinflusst.
Mehr als 100 Jahre nach der Ansiedlung der Katholik:innen, Anglikaner:innen und Protestant:innen im Land hat sich die Dynamik des Christentums verändert. Die evangelikalen, pfingstlerischen und die in Afrika initiierten Kirchen haben den Raum der Religion im Land eingenommen. Die Evangelikalen und Pfingstlergemeinden werden größtenteils von starken Männern im Namen von Aposteln und Propheten angeführt, die eine große Anhängerschaft haben.
Die Aufnahme ins Christentum erfolgt durch die Taufe, was auch für die Einheimischen während der Kolonialzeit im damaligen Rhodesien galt und bei ihnen Verwirrung auslöste. Wie sich diese in einer Debatte darüber widerspiegelt, wer der größere Gott sei, berichtet Daneel: Eine Meinung hält Mwari veChikristu (Gott der Christen) Mwari weMatonjeni (Gott der Matonjeni) für überlegen. Eine andere Meinung vertritt, dass diese Götter gleich seien, während wieder eine andere findet, dass sie sich ergänzen. Zudem gibt es auch extreme Ansichten, dass der traditionelle Gott mit bösen Geistern (Vadzimu) arbeitet. Die Debatte spiegelt auch heute noch die vieler Christ:innen wieder, die ihre traditionellen Praktiken nicht hinter sich gelassen haben. Welcher Gott dem anderen überlegen ist, hängt dabei allein vom Glauben des/der Einzelnen ab.
Auf der Suche nach eigener Identität
Mit Blick auf die in Afrika-Initiierten-Kirchen (AICs) sind die Johane-Masowe-Chishanu-Kirchen Teil einer großen Gruppe der Mapostori/Apostolischen-Familie, die sich mit weißen Gewändern und kahlen Köpfen identifizieren. Gegründet wurden sie von Shonhiwa Masedza, dessen religiöser Name Johane Masowe (Johannes aus der Wildnis) war, um die 1930er-Jahre auf dem Höhepunkt des rhodesischen Regimes. Infolge von Abspaltungen in den vergangenen Jahren gibt es heute im ganzen Land zahlreiche dieser Kirchen mit unterschiedlichen Identitäten.
Es ist allgemein anerkannt, dass die AICs aufgrund der Suche nach einer eigenen afrikanischen Identität und Kultur entstanden sind, so auch die apostolische Familie von Johane Masowe in all ihren Formen. Es ist offensichtlich, wie einige der Namen von Kirchengemeinden davon abgeleitet wurden, wie u.a. Johane Masowe Mudzimu Unoyera (Kirche von Johannes aus der Wildnis und des Heiligen Vorfahren), Johane Masowe Chishanu yeNyenyedzi (Kirche von Johannes aus der Wildnis und des Sterns) oder Madzibaba eChishanu (Väter des Freitags). Die Johane Masowe Chishanu-Apostel verweisen in ihren Lehren nicht auf die Bibel, sondern auf den Heiligen Geist durch ihren Anführer. Die meisten dieser Konfessionen leiten dennoch ihre Lehren aus der Bibel ab (ohne aber darauf zu verweisen) und legen größeren Wert auf Prophezeiungen, Machtdemonstration und Fasten in der Wildnis. Dies ist vergleichbar mit der afrikanischen Art der Anbetung, bei der es ein übergeordnetes Wesen gibt, das durch ein spirituelles Medium zu seinem Volk spricht. Im Fall von Johane Masowe ist das Oberhaupt der Kirche dafür verantwortlich, die Botschaft des Heiligen Geistes zu empfangen und sie an die Anhänger:innen weiterzugeben. Die Mitglieder der einheimischen Kirchen, die Apostel, werden dabei als Madzibaba (Männer) und Madzimai (Frauen) bezeichnet.
Afrikanische Kirchen gewinnen an Zulauf
Wenn man Mitglied der Johane Masowe oder einer ähnlichen Gemeinde wird, wird diese automatisch Teil des eigenen Lebens und man übernimmt deren Lebens- und Verhaltensweisen. Die Anhänger:innen von Johane Masowe Chishanu pflegen beispielsweise Praktiken wie das Ausziehen der Schuhe am Schrein, die Nichtanpassung an die moderne Welt, also u. a. keine Nutzung von Fernsehen und Radio, sowie die Förderung der Polygamie, die im Einklang mit dem afrikanischen Glauben steht, oder die Vermeidung konventioneller medizinischer Behandlung, Tabletten und Impfungen. Die einzelnen Praktiken unterscheiden sich von Gemeinde zu Gemeinde, repräsentieren aber in all ihren Ausprägungen afrikanische Überzeugungen. Starke Kritik bekommen die Johane Masowe-Kirchen von Christ:innen, die den Lehren der Missionar:innen folgen. Von ihnen werden sie als eine „unzivilisierte" Gruppe missachtet, die sich nicht an den Standard der heutigen Lebensweise anpassen will. Tatsächlich bringen einige ihrer Praktiken, wie der Widerstand gegen konventionelle Gesundheitsbehandlungen, ihre Familien in Gefahr. Zudem werden die Mapostori als Menschen angesehen, die nicht am Prozess der Nationenbildung interessiert sind, sondern nur an solchen Themen, die unmittelbar ihre Gemeinschaft betreffen.
In Simbabwe ist Religion also definitiv ein Opium für die Massen, da der Großteil der Bevölkerung ihre eigene Art der religiösen Verehrung hat. Die Einführung des Christentums hat traditionelle Formen und Praktiken der Anbetung zurückgedrängt. Bis heute haben sich viele einheimische Kirchen gebildet, die sich hauptsächlich auf einen Hohepriester stützen und sich sowohl Praktiken aus dem Christentum als auch dem traditionellen Kult entlehnen. Auch wenn die Zusammenhänge schwer zu verstehen sein mögen, sind die Entwicklungen aber durchaus interessant, da die Anhängerschaft dieser Kirchen immer weiter zunimmt.
Der Autor ist ein Panafrikanist aus Simbabwe, der sich mit Klimawandel, Umwelt und andere Themen von nationalem Interesse beschäftigt. Er hat einen Master-Abschluss in Public Policy und Governance von der Africa University in Mutare.
Übersetzt aus dem Englischen.
Literatur:
- Daneel, M.L. 1970, The God of the Matopo Hills – An essay on the Mwari Cult in Rhodesia
- The 1561 martyrdom of Dom Gonçalo da Silveira, S.J., https://zimfieldguide.com/mashonaland-central/1561-martyrdom-dom-gon%C3%A7alo-da-silveira-sj
- Chitando, E., Gunda, M. R. & Kügler, J. (Eds.) 2014, Multiplying in the Spirit: African Initiated Churches in Zimbabwe https://core.ac.uk/download/pdf/144494358.pdf