Nach Südafrikas Positionierung in Bezug auf den Krieg in der Ukraine war seine außenpolitische Reaktion auf den Krieg in Gaza für keinen wohl so eine richtige Überraschung, sondern vielmehr ein Echo der Außenpolitik der vergangenen Jahre. Dennoch mochte man erst mal mit dem Kopf schütteln und sich fragen, warum Präsident Ramaphosa so lange mit sich ringen musste, um den Angriff der Hamas auf Israel mit Worten zu verurteilen. Hat das wirklich noch mit der Neutralität zu tun, mit der sich auch Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor in beiden Konflikten rühmt? Spätestens seit ihrem Telefonat mit dem Hamas-Anführer Ismail Haniyeh Mitte Oktober scheint das außer Frage zu stehen. Haniyeh behauptet, Pandor habe ihre Unterstützung für Gaza zugesagt und sogar eine Zweistaatenlösung zugunsten Palästinas verurteilt. Die südafrikanische Regierung hingegen bestreitet dieses und plädiert auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen auch in Krisenzeiten, insbesondere um humanitäre Hilfe zu gewährleisten. Die USA überdenken in der Zwischenzeit, ob Südafrika noch weiterhin Teil von Agoa sein darf, eines Abkommens, dank dem Südafrika von teilweiser Zollbefreiung auf Exporte in die Staaten profitiert und damit kompetitivere Preise anbieten kann – ein großer Gipfel des Handelsbündnisses findet Anfang November statt.
Viele schöpfen allerdings auch Hoffnung aus den letzten zwei Jahren südafrikanischer Außenpolitik, denn Ramaphosa habe durchaus bei seinen Treffen mit Putin auch Rückgrat und Vermittlerqualitäten bewiesen, indem er die Freilassung von ukrainischen Kindern und die Wiederaufnahme von Getreidelieferungen ansprach, unbeliebte Themen im Kreml. Ähnlich könnte man Ramaphosas Auftritt beim Friedensgipfel in Kairo betrachten. Dort rief er die mächtigen Global Players (vorrangig die USA) dazu auf, ihrer Pflicht nachzukommen, zu Frieden für zwei Staaten, Israel und Palästina, beizutragen.
Ob diese Floskeln wirklich zu einer Veränderung in einem der Kriege führen, wage ich zu bezweifeln. Ein rhetorischer Drahtseiltanz zur Sicherung der eigenen Zukunftsmöglichkeiten, wohl eher, damit der Westen, die UN und die Weltbank die versprochenen Kooperationsgelder nicht streichen. Und dennoch – trotz der maroden innenpolitischen Lage, die anhand der Strom- und Transportkrise oder auch des kürzlichen „Taxikrieges", der in Bergers Beitrag in diesem Heft geschildert wird, sichtbar wurde: Die Interessen des eigenen Landes nach außen zu vertreten ist der Job einer Regierung, ob es der Welt nun gefällt oder nicht. Als nicht weniger zwischen den Stühlen positioniert ist schließlich auch die deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über die UN-Resolution zum Krieg in Nahost einzuordnen.
Der US-amerikanische Stellvertretende Staatssekretär des Außenministeriums für afrikanische Angelegenheiten, Joy Basu, will beim Agoa-Gipfel eruieren, wie die Zusammenarbeit zwischen seinem Land und verschiedenen afrikanischen Staaten, die den US-amerikanischen Sicherheitsinteressen nicht im Wege stehen, ab 2025 weitergehen kann. Im US-Kongress wurden Stimmen laut, Südafrika habe sich laut dieser Kriterien disqualifiziert.
Bei dem Gipfel sollen darüber hinaus auch die Wahlen in Madagaskar zur Sprache kommen, da sie als Anzeiger des Erfolges oder Nichterfolges von Demokratieprozessen genannt wurden, welche die USA hoffen, zukünftig in Afrika zu unterstützen. Die Hintergründe und Kontroversen der Wahl werden in zwei Beiträgen dieses Heftes umfassend erläutert. Aus Basus Statement ging bisher allerdings nicht hervor, ob die Kandidatur des aktuellen madagassischen Präsidenten aus amerikanischer Sicht als Demokratiestütze oder -falle interpretiert würde. Klar ist jedoch, dass auch die kürzlichen und korrupten Wahlen in Simbabwe, die auch in dieser Ausgabe besprochen werden, nicht zu einer Qualifizierung des Landes für eine Agoa-Kooperation beigetragen haben. Die politischen Verstrickungen Afrikas und Frankreichs, unter deren Fahne die aktuellen Diskussionen um Madagaskars Noch-Präsidenten stehen, werden in Hinsicht auf ihre Wirkweisen in anderen Ländern im Beitrag Missers geschildert.
Einen weiteren thematischen Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe bilden die kürzlichen Entwicklungen zum Thema Klima im südlichen Afrika, so zum Beispiel über die Ergebnisse des Afrika-Klimagipfels. Zuletzt vermögen möglicherweise Mikroperspektiven auf Umweltprojekte, wie jenes zur feministischen Landwirtschaft in Mosambik, einen Hoffnungsschimmer in der aktuellen gesamtweltpolitischen Düsternis zu schaffen.
Janine Traber