Heft 6/2012, Südafrika

Umwelt und Arbeit

WILDLANDS CONSERVATION TRUST ist eine erfolgreiche Umweltorganisation in Südafrika. Mit dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied Andrew Venter sprachen Frank Gries und Johannes Lüdecke u.a. über die Aufforstung und Verwertung von Müll und deren Bedeutung für Arbeitsplätze.

 

Die Geschichte von Wildlands Trust ist eine Erfolgsgeschichte: 2004 mit vier Mitarbeitern gestartet, beschäftigen Sie jetzt 450 Personen und sind inzwischen – je nach Quelle – die zweit- oder drittgrößte Naturschutzorganisation in Südafrika. Worauf ist dieser Erfolg zurückzuführen?

 

Der Erfolg von Wildlands gründet darauf, dass wir uns auf die Schnittstelle zwischen Armutsbekämpfung und nachhaltiger Entwicklung sowie ökologischer Nachhaltigkeit konzentriert haben. Das ist unsere starke Nische. Vor zehn Jahren sind wir als klassische Arten- und Naturschutzorganisation gestartet. Heute haben wir uns wirklich komplett neu ausgerichtet. Unsere Arbeit wird sowohl von der Regierung als auch von unseren Partnerorganisationen als relevant erachtet; denn wir tragen dazu bei, die Armut in Südafrika zu bekämpfen. Unsere beiden Programme „Trees-for-life" und „Waste-preneurs" drehen sich immer um Hilfe zur Selbsthilfe der Armen. Wir haben uns sehr gut gleichermaßen für die Green Economy- und die Green Jobs-Bewegung positioniert. Damit haben wir uns exakt in die Zielvorgaben der Regierung eingepasst. Die Regierung möchte die Problemgebiete Jugend, Arbeit und Armut angehen, und zwar so, dass es auch der Umwelt hilft – und dies ist genau, was Wildlands tut. Daher wachsen wir zur Zeit so stark und bekommen mehr Mittel durch die südafrikanische Regierung. Ungefähr zwei Drittel unserer Personalkosten werden durch diese Mittel gesichert.

 

Der Erfolg von Wildlands startete 2006, als wir eine Partnerschaft mit der Stadt Durban eingingen. Wir etablierten Südafrikas ersten waldbasierten Kohlenstoffspeicher als ein Restaurierungsprojekt. In zwei Stadtvierteln entwickelten wir ein Netzwerk von circa 200 sogenannten Tree-preneurs in den ärmsten Communities. Diese pflanzen jedes Jahr ungefähr 100.000 Baumsetzlinge. Wir garantieren die Abnahme. Mit diesen Setzlingen forsten wir fast 650 Hektar in der Stadt wieder auf.

 

Das Projekt wird von der Stadt Durban finanziert. Die Stadt ist aus zwei Gründen eingestiegen: Erstens schaffen wir Arbeit und Einkommen in den Armenvierteln. Zweitens unterstützten wir die Stadt bei einem Problemgebiet, das wieder aufgeforstet werden sollte. Nun kann dieses Gelände durch Maßnahmen der Armutsbekämpfung renaturiert werden. Heute arbeiten wir in drei Gebieten in Durban, haben Projekte in sechs lokalen Gemeinden. An drei Orten lassen wir Setzlinge ziehen, mit denen wir drei andere Flächen wieder aufforsten.

 

Dann begannen wir die „integrated greening programme partnership" mit der Provinz KwaZulu-Natal. Diese Partnerschaft umfasst eine gesamte Provinz. Innerhalb von fünf Jahren wollen wir mindestens eine Million Bäume ziehen und anpflanzen.

 

Eine weitere Initiative betrifft die Waste-preneurs: Mindestens fünftausend Tonnen Müll sollen von armen städtischen und ländlichen Kommunen gesammelt und recyclet werden. Während dieses Prozesses sollen so viel Wald und Flüsse wie möglich renaturiert werden. Mit diesem Projekt sollen jedes Jahr um die 10.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, davon ca. 800 bis 1000 Vollzeitarbeitsplätze.

 

Dies ist eine wirklich ungewöhnliche und aufregende Kooperation, denn die Regierung steuert finanzielle Mittel bei, unsere anderen Kooperationspartner steuern Mittel bei – und die internationalen Partner geben ebenfalls Gelder für dieses Projekt. Es ist das erste Mal, dass diese alle zusammenarbeiten.

 

Wir haben noch zwei verschiedene Modelle entwickelt. Bei dem einen geht es ums Sammeln, vor allem von Glas. Ungefähr 75 Prozent Glas, der Rest Plastik, Papier und Dosen. Unser zweites Modell geht weiter, hier arbeiten wir mit Schulen und Unternehmen zusammen.

 

Ungefähr 90 Prozent davon wird wieder zu Rohmaterial verarbeitet. In Südafrika gibt es etablierte Unternehmen dafür. Und es gibt einen sehr schnell wachsenden Markt für das Recycling von Plastik. Inzwischen wird viel Plastik wieder verarbeitet. Wir haben z.B. eine Partnerschaft mit einem Unternehmen, das minderwertiges Plastik als Bindemittel für Dachziegel recycelt. Aber diese Möglichkeiten sind sehr begrenzt hinsichtlich der Mengen.

 

Es gibt eine steigende Nachfrage nach Rückfluss in die Rohstoffkette. Früher wurde dieser Wertstoff aus Südafrika nach China exportiert. Heute geht nur sehr wenig nach China. Recycling explodiert geradezu in Südafrika. Momentan dürfte sich jedes Jahr die Müllmenge halbieren, die bisher einfach in der Landschaft deponiert wurde. Das geht jetzt in die Wiederverarbeitung. Recycling hat nun den Wert einer Ware, und die Leute bemerken dies. Es sind vielleicht noch keine großen Werte, aber das Wert ändert sich rasant. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden die Kosten für Rohstoffe steigen und die Kosten für Recycling heruntergehen.

 

Generell scheint Wildlands – im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen in diesem Bereich – vor allem in Südafrika Gelder zu akquirieren?

 

Unsere Einkünfte kommen zu 95 Prozent aus Südafrika, vielleicht sogar ein wenig mehr. Es gibt ja Geld in Südafrika. Die Hälfte dieses Geldes kommt von Unternehmen – als sozioökonomische Entwicklung im Rahmen des BBEE (Broad-Based Black Economic Empowerment). Die andere Hälfte kommt von der Regierung. Früher war der Unternehmensanteil größer.

 

Wir sind auch international im Fundraising aktiv. Es gibt noch immer Bereiche in unserer Arbeit, für die wir in Südafrika kein Geld erhalten, da die Denkweise gelegentlich doch unterschiedlich ist.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Austausch in internationalen Netzwerken. Die fünf Prozent internationalen Mittel bieten eine gute Gelegenheit, uns in Europa bekannter zu machen. Und wir wollen uns auch in den USA mehr exponieren.

 

Weil es diese Zuwendungen gibt, wird über uns auch mehr berichtet. Dies eröffnet uns neue Möglichkeiten. Dies ist z.B. interessant hinsichtlich des Nashornschutzes. Noch vor zwei Jahren waren wir in diesem Bereich überhaupt nicht aktiv. Wir hatten einige Artenschutzprogramme – eine spezielle Geierart ist für uns wesentlich bedeutender als Nashörner, denn diese Art ist wesentlich bedrohter. Vielleicht fünf Prozent unseres Portfolios war für Artenschutzprogramme. Heute sind wir sehr groß im Bereich des Nashornschutzes, weil wir es mussten. Heute werden wir als Botschafter dafür gesehen. Dafür sammeln wir auch internationale Gelder. Das Nashornschutzprogramm wird zu 50 Prozent mit internationalen Geldern finanziert.

 

Laut Jahresbericht steigen Ihre Einnahmen kontinuierlich. So 2011 allein um beeindruckende 23 Prozent. Ist dies erneut ein Ausdruck des wachsenden Bewusstsein gegenüber Umweltschutz in Südafrika?

 

Ohne Zweifel. Aber es ist vor allem ein Zeichen, dass wir als Wildlands etwas richtig machen. Es gibt sehr viele Organisationen im Umweltbereich, die nicht so stark wachsen. Wir konzentrieren uns auf die Schnittstelle zwischen Armut und Umwelt. Wenn wir weiterhin die klassischen Artenschutzprogramme in das Zentrum unserer Arbeit gestellt hätten, würden wir eher schrumpfen.

 

Aber auch das Bewusstsein über Umwelt nimmt derzeit in Südafrika rapide zu. Die Weltumweltkonferenz im vergangenen Jahr in Durban und die Wilderei von Nashörnern haben dafür gesorgt, dass die Umweltschutzagenda ganz vorne im Bewusstsein der Menschen ist.

 

Nehmen wir die Nashörner als Beispiel: Wenn Sie nach Südafrika kommen, können Sie die Schlagzeilen in den Zeitungen lesen: Jeden Tag – wirklich jeden – werden Sie in einer der wichtigsten Tageszeitung eine Story über Wilderei an Nashörnern lesen. Und am Wochenende wird in den nationalen Fernsehnachrichten ebenfalls ein Bericht über Nashornwilderei zu sehen sein, untermauert mit Statistiken und Zahlen. Dies verändert die Sichtweise und die Erwartungen: Immer mehr Südafrikaner wollen ein Nashorn sehen. Einige sind vielleicht besorgt darüber und denken, dies ist die letzte Chance. Aber die Masse will einfach ein Nashorn sehen, weil sie es in den Nachrichten gesehen haben, wenn sie jetzt in die Schutzgebiete fahren. Die Leute wissen vielleicht nicht, wie eine Impala aussieht, aber ein Nashorn werden sie auf jeden Fall erkennen.

 

Dies hat sich also radikal geändert. Ich glaube, dieses Argument ist besonders interessant, wenn man nach Namibia oder auch Kenia schaut: In Kenia sind wahrscheinlich 95 Prozent der Personen, die ein Nashorn in der Wildnis sehen können, internationale Touristen; nur fünf Prozent sind Kenianer. Der überwiegende Teil der Touristen kommt jedoch aus Südafrika, ihr Anteil liegt bei 75 bis 80 Prozent und 60 Prozent der Einnahmen. Dieser Tourismus ist noch immer ein Tourismus der Mittelklasse, mit einer Dominanz der weißen Mittelklasse, aber dies ändert sich sehr schnell. Die schwarze Mittelklasse wächst enorm und deren Mitglieder bekommen auch Ferien und reisen innerhalb Südafrikas. Ihr Anteil am Tourismus ist jetzt durchaus signifikant. Die große Mittelklasse ist unsere Stärke. Dies ist eine Besonderheit Südafrikas, die uns zusammenhält. 1994 waren vermutlich fünf Mio. von 40 Mio. Südafrikanern der Mittelklasse zuzurechnen – 2010 waren es in etwa 12 Mio. von 45 Mio. Menschen.