Heft 6/2015, Klimadossier: Simbabwe

Der Naturgeschichte zugehört

LOWVELD IST DAS FLACHLAND VON CHIMANIMANI IM OSTEN SIMBABWES. Die Bäuerinnen und Bauern müssen dort mit nur 300 mm Jahresniederschlag zurechtkommen. Das Gebiet zählt damit zu den Trockengebieten, die etwa 40 Prozent der Landfläche Afrikas ausmachen: Eine Landwirtschaft ohne Boden?

 

Das Lowveld ist stark von der Degradation der natürlichen Ressourcen betroffen, das betrifft insbesondere die Vegetation und die Böden. Weitere Probleme sind Abholzung, Überweidung und das Abbrennen von Gras- und Buschlandschaft. Diese Aktivitäten setzen eine negative Wirkungskette in Gang. Durch den Verlust der Vegetation verliert der Boden seine Schutzschicht. Wasser- und Mineralstoffkreisläufe werden unterbrochen. Bodenorganismen wird die Lebensgrundlage entzogen. Die Bodenfruchtbarkeit nimmt rapide ab. Auf dem nicht durch Pflanzen geschützten, von der Sonne steinhart ausgetrockneten Boden können keine Grassamen keimen. Regenwasser versickert nicht, sondern fließt auch bei leichtem Gefälle ab. Dabei spült es den Oberboden fort und hinterlässt tiefe Erosionsrinnen, die den Bodenabtrag beim nächsten Regen weiter beschleunigen. Der Grundwasserspiegel sinkt, Wasserquellen versiegen. Fortschreitende Verwüstung oder Degradation ist die Folge.


Verstärkt werden die Auswirkungen unangepasster Landnutzung durch den Klimawandel. In den vergangenen zehn Jahren haben die Menschen hier mehr Dürren erlebt als die Generationen vor ihnen in einem ganzen Leben. Selbst Hirse, das gegen Trockenheit widerstandsfähige Getreide, hat in dieser Zeit ohne künstliche Bewässerung keinen Ertrag mehr gebracht. Bewässerungslandwirtschaft ist jedoch kaum möglich. Der Save-Fluss und seine Seitenarme, die das Flachland wie Lebensadern durchziehen, sind stellenweise nur noch Rinnsale oder ganz ausgetrocknet. Die einzige Hoffnung für die Menschen sind einige Rinder und Ziegen.

 

Überlebensstrategie trägt nicht mehr
Wie in allen Trockengebieten der Welt hat die Tierhaltung eine große Bedeutung. Rinder, die auch trockenes Gras verwerten können, stellen eine wichtige Reserve insbesondere für Notzeiten dar. Milch und Fleisch liefern nicht nur hochwertiges tierisches Eiweiß. Von dem Erlös aus dem Verkauf eines Tieres können z.B. Lebensmittel gekauft werden. Sie sind praktisch ein Bankkonto auf vier Beinen. Doch weil in den letzten Jahren immer häufiger der Regen ausblieb und damit die Erträge aus dem Ackerbau, mussten die Menschen in Chimanimani immer wieder von diesem „Bankkonto" abheben, um zu überleben. So wurden Jahr für Jahr mehr Rinder verkauft als geboren. „In 30 Jahren kann niemand mehr hier leben!" So bringt es ein lokaler Mitarbeiter des simbabwischen Landwirtschaftsministeriums auf den Punkt. Landwirtschaft sei bald nicht mehr möglich und folglich würden die über 7000 im Lowveld lebenden Menschen gezwungen fortzugehen.

 

Ressourcenschutz ist die Grundlage
Angesichts dieser Probleme sucht Tsuro, die lokale Initiative von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, nach Auswegen aus der Krise. Tsuro bedeutet „Towards Sustainable Use of Ressources Organization". Gleichzeitig steht das Wort in der lokalen Sprache der Shona für den Hasen als listenreiches Fabeltier. Die 1999 gegründete und demokratisch verfasste Organisation hat inzwischen über 5000 Mitglieder im gesamten Distrikt Chimanimani. Sie setzt sich für eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen als Grundlage bäuerlichen Wirtschaftens ein. Dies gilt gleichermaßen für das trockene Lowveld wie auch die regenreichen Gebiete in den Bergen. Der Klimawandel erhöht den Handlungsdruck, aber ein Großteil der Probleme ist aus Sicht von TSURO auf eine unangepasste Landnutzung zurückzuführen. Zum Beispiel laufen Rinder traditionell auf der Suche nach Futter und Wasser frei herum und werden oft nicht oder nur von Kindern beaufsichtigt. Da die Tiere die Nähe zum Wasser suchen, sind die Gebiete um die wenigen Flüsse und in Dorfnähe stark überweidet, was dort die Desertifikation beschleunigt. Den Rinderbestand zu reduzieren, würde dieses Problem aber nicht lösen – im Gegenteil.

 

Wiederentdeckung eines alten Prinzips
Im Lowveld von Chimanimani grasten in vorkolonialer Zeit beispielsweise Elefanten-, Büffel- und Antilopenherden. Bevor ihnen die Bejagung mit modernen Waffen und eingeschleppte Tierseuchen ein Ende bereiteten, brachen sie durch ihren (Huf)tritt den verhärteten Boden auf und erlaubten so das Einsickern von Regenwasser. Grassamen, die entweder auf oder unter der Erdkruste verloren gewesen wären, konnten keimen, vertrocknete Gräser wurden niedergetrampelt. Diese bedeckten den Boden und schützten ihn vor Austrocknung und Erosion. Zum Schutz vor Raubtieren dicht gedrängt wandernde und weidende Tierherden verbissen alle Pflanzen auf ihrem Weg gleichmäßig und förderten damit die Bestockung der Gräser und das Wurzelwachstum. Die Ausscheidungen der Tiere waren ein hochwertiger Dünger.


Auf diese Weise wurden zum Teil mächtige Humusschichten gebildet, die einmal für den Wasser- und Nährstoffhaushalt des Bodens sehr wichtig sind und darüber hinaus große Mengen atmosphärischen Kohlenstoffs binden konnten. Ohne grasfressende Tiere ist dieses Ökosystem aus dem Gleichgewicht geraten. Dies gilt für nahezu alle Trockengebiete Afrikas. Sie machen über 40 Prozent der gesamten Landfläche aus.


Das Africa Center for Holistic Management hat ein ganzheitliches System der Weidehaltung entwickelt, das dieses Jahrmillionen alte Prinzip von kurzer intensiver Beweidung und längeren Ruhepausen mit domestizierten Rindern kopiert. In einer privaten Ranch ist das System aufgrund geregelter Besitzverhältnisse an Land und Vieh sowie mit Kapitaleinsatz z.B. für mobile Weidezäunen und Wassertanks leicht zu organisieren. Die Kleinbauernorganisation Tsuro versucht mit Unterstützung durch den Weltfriedensdienst, dieses System auf über 1000 Viehbesitzer/-innen mit jeweils einer Handvoll Tiere zu übertragen.


In zwei Pilotprojekten ist es in den vergangenen drei Jahren gelungen, vier Herden von jeweils 100 bis 250 Tieren von insgesamt etwa 130 Familien aufzubauen. Der schwierigste Teil dabei war, eine genügend große Zahl von Rinderhaltern zu überzeugen, ihre wenigen Tiere zu großen Herden zusammenzulegen und von professionellen Hirten hüten zu lassen. Nichts Geringeres wurde dabei gefordert als den wertvollsten Besitz in fremde Hände zu geben und beim Umtrieb in entferntere Weidegebiete aus den Augen zu verlieren. Gleichzeitig musste die regelmäßige Bezahlung der Hirten angesichts extrem niedriger Einkommen der Viehhalter geregelt werden. Diebstahl und die mögliche Übertragung von Krankheiten von anderen auf die eigenen Tiere waren weitere Sorgen, die ernst genommen werden mussten. Sehr viel leichter gestaltete sich die gemeinsame Kartierung der Weidegebiete und die Planung der Weidezeiten sowie Hirten zu finden und diese in Herdenmanagement auszubilden. Das Problem fehlender Wasserquellen in entlegenen Weidegebieten konnte durch den Bau von zwei Brunnen gelöst werden.

 

Erfolge und Perspektiven
In den letzten drei Jahren wurden viele positive Erfahrungen gesammelt. Das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Beweidungsmanagement und Wassereinzugsgebieten stieg deutlich, vor allem die große Bedeutung der Viehherden als Instrument zur Wiederherstellung gesunden Graslandes konnte den Viehbesitzer/-innen erfolgreich vermittelt werden. Noch sind die Herden zu klein, um eine großflächige Wirkung auf den Wasserhaushalt durch bessere Regeninfiltration und Speicherung im Boden nachzuweisen. Die Erhöhung der Artenvielfalt an Bäumen und Gräsern konnte jedoch bereits gemessen werden.


Einen wichtigen Beitrag zu den bisherigen Erfolgen leisteten lokale staatliche Akteure wie Agritex, das Livestock Production Department, Veterinary Services wie auch Sicherheitskräfte. So konnte Viehdiebstahl durch die Markierung und Registrierung der Rinder und das Einpferchen in Kraals über Nacht reduziert werden. Medizinische Betreuung, besseres Futterangebot und das Leben in der Herde haben Tiergesundheit und Geburten deutlich erhöht.


Konflikte zwischen DorfbewohnerInnen wegen der Zerstörung von Gärten und Feldern durch siedlungsnah unbeaufsichtigt umherstreifendes Vieh sind deutlich zurückgegangen. Einige alleinstehende Frauen konnten erstmals Vieheignerinnen werden und dadurch sowohl ihr Einkommen als auch ihre soziale Stellung verbessern, weil sie sich nun nicht selbst um das Vieh und insbesondere den Weideauf und -abtrieb kümmern müssen.


Der Weg für Tsuro und die 7000 Menschen im Lowveld zu einem gesicherten Einkommen und Ernährungssouveränität ist noch weit, doch die ersten Schritte sind getan. Weiter genau hinschauen, was hier passiert, lohnt sich mit Blick darauf, dass die Hälfte der Landfläche Afrikas von Desertifikation betroffen ist.


Helge Swars

 

Der Autor ist Projektkoordinator und Spendenwerber beim Weltfriedensdienst. Er ist Agrarwissenschaftler mit Mediationsausbildung.