Heft 6/2015, Klimadossier: Südafrika

Windstärke 7

2030 LAUTET DIE SCHALTZAHL DER SÜDAFRIKANISCHEN REGIERUNG. Bis dahin sollen erneuerbare Energien zwanzig Prozent des Energiebedarfs im Land decken.

 

Sonne, Wind und Wasser – die Zauberworte für einen gelungenen Strandurlaub! An der südafrikanischen Atlantikküste verheißen sie auch eine bessere Zukunft. Das Kap der Stürme, wie die Portugiesen die windige Südspitze des Kontinents einst tauften, ist der ideale Ausgangspunkt, um den rußigen Pfad des Kohleabbaus zu verlassen. Das weiß auch Thomas Siepelmeyer, ein Windexperte der ersten Tage. Seit sechs Jahren arbeitet er an einem Projekt in Saldanha Bay, 130 Kilometer nördlich von Kapstadt.


Seine politischen Erfahrungen mit Südafrika reichen 30 Jahre zurück, früher war er in der Anti-Apartheid-Bewegung aktiv und kooperierte mit Gewerkschaften. Erste Erfahrungen mit erneuerbaren Energien sammelte er im Münsterland. Im demokratischen Südafrika gründete Siepelmeyer sein eigenes Unternehmen, IPD Power (Pty) Ltd.. Seitdem ist der überzeugte Umweltschützer auch Geschäftsmann.

 

Innovativer Windpark
Im nächsten Jahr will er nach einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren den Zuschlag für seinen Windpark erhalten. Dafür muss er 1,5 Millionen Euro investieren. Siepelmeyer ist überzeugt: Am Ende wird es sich rechnen. Deshalb hat er sich das Gelände für zukünftige Betreiber und Investoren „gesichert", Verträge ausgehandelt und eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung bestanden. Gleichzeitig brauchte er ein sozio-ökonomisches Konzept, überzeugende Antworten auf die Schlüsselfragen: „Wieviel nutzt das den Leuten hier? Wer kommt in Arbeit in der Bauphase? Wer kommt in Arbeit in der Betriebsphase und so weiter?" Außerdem sollen vierzig bis sechzig Prozent der Wertschöpfung am Ende Südafrika zu gute kommen. Der 59-Jährige findet das richtig und denkt nach vorn.


Bei einem Besuch an der stürmischen Atlantikküste lässt er den Blick über das Gelände schweifen und erklärt begeistert: „Auf dem nächsten Hügel, da ist bereits ein anderer Park. Daneben ist das unser Gelände." Die Ländereien hat er von weißen Farmern gepachtet. Die gaben ihr Land gerne her, weil die Böden wenig Wasser halten und so neben der Viehwirtschaft ein guter Nebenverdienst anfällt. Nichts wird den Wind für über 190 Windräder aufhalten, die maximal 590 Megawatt Strom liefern sollen. In der Nähe entsteht bereits ein Industriegebiet. Glücklicherweise haben die nahe gelegenen Umspannstationen noch Kapazitäten. Ohne bereits bestehende Stromeinspeisepunkte muss ein Projekt mit erneuerbaren Energien lange warten, bis Umspannstationen umgebaut oder angeglichen sind.

 

Privatisierung?
Siepelmeyer möchte, dass möglichst viele öffentliche Investoren dereinst „seinen" Windpark übernehmen. 51 Prozent sollen der öffentlichen Hand nützen: „Gemeinden, Distrikten und Pensionsfonds. Man muss versuchen, einen großen Teil der Farmen aufzukaufen." Alles andere sei „greenwashing", denn die Pachten für das Gelände gelangen in die Hände der von jeher privilegierten weißen Farmer. Zwar seien lokale Gemeinden zu zehn Prozent an den Einnahmen aus Wind- und Solarparks beteiligt, aber der Unternehmer bemängelt: „Dabei kommt nicht viel raus."


Auch kritische Nichtregierungsorganisationen befürchten, das Geschäftsmodell bei erneuerbaren Energien sei der Einstieg in die private Stromversorgung. Schließlich gibt es seit zehn Jahren Pläne, den staatlichen Stromversorger Eskom zu zerschlagen. Deshalb ist auch der Anfang 2015 von Präsident Zuma angekündigte „New Bold Plan" zur Behebung der Energiekrise keineswegs visionär. Er setzt auf Kohle, Öl, Gas und Atomkraft. Zwei Drittel der Energie wird immer noch aus Kohle gewonnen. Und das, obwohl der globale Wind-Bericht von 2014 Südafrika den höchsten Zuwachs an Windenergie auf dem Kontinent bescheinigt und zwar zu einem wettbewerbstauglichen Preis: Während eine Kohle-Kilowattstunde 1,05 Rand kostet und der durchschnittliche Strompreis bei 63 Cent liegt, ist Windstrom für 65 Cent zu bekommen.


Siepelmeyer kennt die Zahlen. Wenn es dem Visionär gelingt, damit öffentliche Eigner für die Energieerzeugung zu gewinnen, darf er sich in zweifacher Hinsicht zu den Pionieren in Südafrika zählen: Für eine dezentrale Versorgung der Bevölkerung mit „Renewables" und für eine nachhaltige Umverteilung der bis heute extrem ungleich verteilten Vermögen.


Birgit Morgenrath