DIE RU?CKSICHTSLOSE PLU?NDERUNG AFRIKAS durch lokale Machthaber und in Komplizenschaft des Westens. Das beschreibt der Journalist Tom Burgis in seinem 2016 erschienenen Buch „Der Fluch des Reichtums". Er wirft ein Licht auf die Schattenseiten unseres globalen Wirtschaftssystems.
Afrika ist reich an Ressourcen, mit einem Drittel der weltweiten Rohstoffvorkommen ist Afrika in dieser Hinsicht der wohl reichste Kontinent der Welt. Die Wachstumsraten nehmen zu. Und dennoch leben 45 bis 50 Prozent der Bevölkerung in Armut, die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander, ganze Volkswirtschaften gehen zugrunde. Wie kann das sein?
Mit dieser Frage hat sich der Investigativjournalist Tom Burgis, Korrespondent der Financial Times, beschäftigt und ist der Sache auf den Grund gegangen. Die direkten Folgen der Ausbeutung sind gemeinhin bekannt: ausufernde Korruption, Gewalt und Unterdrückung. Burgis ging es aber um die Strukturen dahinter. Dafür reiste er in die wichtigsten Rohstoffstaaten des Kontinents, unter anderem nach Angola, Nigeria, Südafrika, Simbabwe und DR Kongo. Er folgte dort den verschlungenen Pfaden, um den Reichtum einer kleinen, korrupten Elite und gieriger Politiker, aber auch die Verstrickungen mit dem Westen und multinationalen Konzernen zu untersuchen.
Das Ergebnis: Es ist kein Zufall. Und Burgis benennt klar die Verantwortlichen. In seinen Recherchen deckt er intransparente Strukturen des Rohstoffhandels auf und analysiert Machtkonstellationen, die das Geschäftsmodell ermöglichen. Er entschlüsselt ein kriminelles Netzwerk aus zwielichtigen Händlern, internationalen Großkonzernen, afrikanischen Regierungen und kapitalistischen Freibeutern, das immer ähnlich funktioniert: „Über verschachtelte Firmengeflechte verschleiern Konzerne und Regierungen die tatsächlichen Erträge aus dem Rohstoffhandel" (SZ, 29.11.2017). Der Gewinn daraus wird aufgeteilt, ein Teil davon fließt in die Taschen der Machthaber und die Konzerne kommen um Steuerzahlungen herum. Es wird aufgezeigt, dass der Ressourcenfluch nicht nur eine Macke unseres Wirtschaftssystems ist, sondern ein ausgeklügeltes System der Plünderung, dessen Profiteure benannt werden können. Konzerne und Machthaber verfolgen ihre eigenen Geschäfte.
Über welche Patronage-Systeme und Korruptionspraktiken diese komplexen Netzwerke funktionieren, zeigt Burgis anhand von Fallstudien auf. In Angola, der DR Kongo oder Simbabwe etwa nutzen Parallelregierungen die natürlichen Ressourcen zur Generierung von Geldern, die im Staatsetat nicht vorkommen. In Angola ist es vor allem das Öl. Das Land gehört neben Nigeria zum größten Erdölproduzenten Afrikas. Öl und Gas machen 98 Prozent der Exporte aus. Die regierende MPLA fand, so Burgis, bald heraus, „dass die mit Öl befeuerte Maschine, die sie zur Finanzierung ihrer Kriegsanstrengungen gebaut hatte, auch anderweitig von Nutzen war" (S. 22). Das Kapitel „Die Futungo GmbH" bezieht sich auf den Namen des alten Präsidentenpalastes, von dem der einige hundert Familien umfassende Hofstaat von Ex-Präsident José Eduardo dos Santos die „Privatisierung der Macht" vorantrieb. Dabei spielt die staatliche Ölgesellschaft Sonangol eine entscheidende Rolle; ihre Verflechtung mit dem texanischen Erdölunternehmen Cobalt, das zu den Dutzenden internationalen Firmen gehörte, die um Angolas Rohöl konkurrierten, wird von Burgis akribisch aufgerollt.
Im Falle Simbabwes sind es die Diamanten aus der Marange-Region, mit denen Robert Mugabes Schattenstaat mit Hilfe internationaler Konzerne die Staatskassen geplündert hat. Im Kapitel „Die neuen Geldkönige" wird eindrücklich geschildert, mit welcher Rücksichtslosigkeit gegenüber der Bevölkerung die Diamantengeschäfte abgewickelt werden. „Der Terror in Marange ist nur das letzte Kapitel in der traurigen Geschichte afrikanischer Diamanten", schreibt Burgis (S. 280), um sich dann den Diamanten-Netzwerken und ihren Profiteuren im Westen zu widmen.
Ein großer Anteil des Bestechungssystems wäre nicht denkbar ohne eine Industrie zur Vertuschung globaler Finanzströme, deren Hauptakteure in London, der Schweiz und in zunehmendem Maß auch in den USA sitzen und die es afrikanischen Kleptokraten erst ermöglichen, ihre Macht zu behaupten. Komplizen dieser Entwicklungen sind wir aber letztlich alle, so Burgis. Die materiellen Vorzüge unseres westlichen Lebenswandels mit Mobiltelefonen, Autos, Laptops etc. werden mit diesen Rohstoffen geschaffen. Fortschritt und Wachstum beanspruchen immer mehr Rohstoffe. „Die gesamte Weltwirtschaft ist auf der ständigen Verfügbarkeit von Rohstoffen aufgebaut – aus Afrika und aus anderen Regionen. Prinzipien, die wir sonst anwenden – das Eigentumsrecht zum Beispiel oder grundsätzliche ethische Handelsstandards – werden über Bord geworfen, wenn es ums Öl, den Bergbau, Land oder anderes geht", so Burgis in einem Interview mit den NachDenkSeiten.de (21.11.2016).
Die lokalen Bevölkerungen werden buchstäblich dieses Reichtums beraubt durch eine Wirtschaft, die es einer winzigen Minderheit ermöglicht, sich durch den Abfluss des Reichtums aus Afrika selbst zu bereichern. Wie ist das zu stoppen? Eine Antwort darauf gibt Burgis nicht, aber das Problem zu diagnostizieren, ist ein erster wichtiger Schritt, um dieses zu lösen.
Tom Burgis
Der Fluch des Reichtums
Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas
Westend Verlag, Frankfurt 2016