Heft 6/2017, afrika süd-Dossier: Entwicklung

Die Welt im Ungleichgewicht

Angesichts der vielfältigen globalen und gesellschaftlichen Krisen gewinnt die Entwicklungsdebatte und die Suche nach alternativen Gesellschaftsmodellen an Bedeutung. Das westliche Konsummodell stößt an seine Grenzen, Konkurrenzkampf, Machtinteressen, Ungleichheit, Ausgrenzung und Vereinzelung nehmen zu und gleichzeitig zerstören wir die Umwelt als unsere Lebensgrundlage. Die Welt ist zerrissen. Sie ist aus dem Gleichgewicht geraten und Verunsicherung ist allerorts verbreitet. Ein Weiterso ist nicht verantwortbar.
Die globalen Wechselwirkungen sind zu komplex geworden, trotzdem finden weiterhin einfache Antworten Anklang. Wie der letzte EU-Afrika-Gipfel gezeigt hat, bleibt es bei der oberflächlichen Symptombehandlung, das Problem wird nicht bei den Wurzeln angepackt. Ein Perspektivenwechsel ist notwendig. „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind", pflegte schon Albert Einstein zu sagen.
Es geht um Werte, Menschenrechte, soziale Anerkennung, Identität, darum, als Subjekt wahrgenommen zu werden, um Wertschätzung, Gemeinschaftssinn, Vielfalt und um Teilhabe. „Entwicklung" muss von innen kommen. Dafür muss Vertrauen neu aufgebaut werden. Und es braucht dezentrale und gemeinsame Entfaltungs- und Gestaltungsräume.
Es geht auch um eine Änderung in der Rhetorik, hin zu einem positiven Tenor, einer anderen Denke, wieder Dinge mit Begeisterung zu machen, darum, nicht nur Probleme zu benennen, sondern auch positive Utopien zu entwickeln – nicht nur gegen, sondern für etwas sprechen. Sei es die Weltbürgerschaft, das „Gute Leben" oder „Afrotopia". Von welchen „afrikanischen" Erfahrungen, Ansätzen und Visionen können wir dabei lernen? Es gibt Anzeichen dafür, dass „normale Bürger" aller Altersgruppen und über soziale Hintergründe hinweg die treibenden Kräfte der Transformation zu alternativen Lebensentwürfen sein werden.
Dieses Schwerpunktheft möchte über Themen der Afrika- und Entwicklungspolitik hinaus das Entwicklungsverständnis diskutieren. Es schaut daher bewusst auch über die Region des südlichen Afrika hinaus und lässt beispielsweise einen Felwine Sarr aus Senegal zu Wort kommen, der sich – wie sein Kollege Achille Mbembe – über Afrikas Beitrag für die Zukunft der globalen Entwicklung Gedanken macht. Auch Ansätze eines Alberto Acosta aus Ecuador zum „Buen Vivir" möchten zur Debatte über zukünftige Entwicklungswege beitragen. Diskutieren Sie mit.

Anna Balkenhol

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