Heft 6/2017, afrika süd-Dossier: Entwicklung

EPAs schön geredet

KOMMENTAR ZUM INTERVIEW MIT ROB DAVIES

Südafrikas Minister für Handel und Industrie Rob Davies greift in seinem Interview mit afrika süd viele wichtige Punkte auf. Ein wichtiger Aspekt ist die Senkung der Zölle zu Beginn der Demokratisierung Südafrikas. Sie führte in einigen Fällen zum Verlust von Arbeitsplätzen, weil südafrikanische Unternehmen der Konkurrenz mit ausländischen Produkten nicht standhalten konnten, mit denen sie sich konfrontiert sahen. Die von Rob Davies erwähnte frühe Entscheidung Südafrikas zur Liberalisierung über die WTO-Forderungen hinaus entbehrte jeder vernünftigen Grundlage. In vielen südafrikanischen Kreisen wird sie als vorauseilender Gehorsam bezeichnet, der Eliten im „postkolonialen Kontext" nicht selten erfasst. Für die südafrikanischen Eliten ginge es darum zu zeigen, dass Südafrika wieder Teil der internationalen Gemeinschaft und bereit war, die Liberalisierungsagenda, für die die WTO 1995 gegründet wurde, mit voranzutreiben.
Die Gefahren der Überflutung des südafrikanischen Marktes waren für eine Ökonomie, die lange isoliert war und zum Teil unter Sanktionen stand, von Anfang an unübersehbar. So wurden u.a. die Textil- und die Lederindustrie in Mitleidenschaft gezogen. Diese Sektoren brauchten Schutzmaßnahmen. Eine Notwendigkeit einer unüberlegten Liberalisierung bestand aber nicht. Eine Öffnung der Wirtschaft durch Liberalisierung des Außenhandels war nicht die Antwort auf Südafrikas Probleme in diesen Jahren, aber die Neoliberalen, die sich in Südafrika ab Juni 1996 mit dem Wirtschaftsprogramm GEAR (Growth, Employment and Redistribution) durchgesetzt hatten, sahen es anders. Sie sahen in der Liberalisierung eine Chance, Südafrikas Anschluss an die sich globalisierende Weltwirtschaft zu schaffen. Sie haben sich getäuscht. Um den Anschluss zu schaffen, wäre nur eine gezielte Öffnung notwendig gewesen, die es ermöglicht hätte, Zwischenprodukte und Know-how zuzulassen, die vor Ort weiterentwickelt werden konnten, um Südafrikas Integration in globale Wertschöpfungsketten voranzutreiben.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung ist es erstaunlich, dass Rob Davies die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen schön redet. Zunächst ist die Begrenzung auf den Warenhandel nur vorübergehend, denn das SADC-EPA wie auch andere EPAs beinhalten eine Rendez-vous-Klausel, die zu weiteren Verhandlungen über Dienstleistungen, Wettbewerbs- und Investitionsregeln, öffentliches Beschaffungswesen und Schutz des geistigen Eigentums normalerweise sechs Monate nach dem Inkrafttreten des Güterabkommens verpflichtet. Es stimmt schon, dass, verglichen mit dem TDCA, Südafrika einen leicht verbesserten Marktzugang für Wein, Zucker, Fisch, Blumen und Dosenfrüchte erhält. Somit verbessern sich Südafrikas zoll- und quotenfreie Importe in die EU von 95 auf 98 Prozent für einen Zeitraum von zehn Jahren. Aber was Rob Davies nicht erwähnt, sind die Kosten und die Bedingungen für diesen leicht verbesserten Marktzugang. Zu den Kosten gehört es, dass die SACU-Länder 97,8 Prozent ihrer Zolllinien gegenüber der EU komplett oder teilweise liberalisieren müssen und Mosambik 80 Prozent in nur zehn Jahren.
Zu erwähnen sind auch die Gefahren für die Regionalintegration, die von den EPAs ausgehen, von den Bedingungen zu schweigen, die erfüllt sein müssen, damit Südafrika den etwas verbesserten Marktzugang in Anspruch nehmen darf, darunter den Schutz von 251 europäischen „Geographical Indications." Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass der präferenzielle Marktzugang nur den exportorientierten Sektoren zugutekommt, die in Südafrika bis heute von Weißen dominiert werden, während unter der Marktöffnung die überwiegende Mehrheit der kleinen Produzenten leiden wird. Alleine diese Argumente zeigen, dass die EPAs nicht so harmlos sind, wie Rob Davies sie darstellt. Das haben Nigeria, Tansania und viele andere afrikanische Länder verstanden. Südafrika kann von ihnen lernen.
Interessant ist die Frage nach der Reduzierung des Acht-Stunden-Arbeitstags aufgrund sinkender Arbeitsplätze im Zuge der Digitalisierung. Es ist erfreulich, dass solche Überlegungen auch in hohen politischen Kreisen Einzug erhalten, denn die Postwachstumsökonomen werden nicht müde zu betonen, dass der Faktor „Arbeit" zentral ist, um andere Lebensperspektiven zu erschließen. Würde man die Arbeitsstunden reduzieren, ergäbe sich zwangsläufig eine Vielzahl von Aktivitäten, denen Menschen freiwillig nachgehen könnten. Im Vordergrund stünde hier nicht die Geldakkumulation, sondern die Entschleunigung, die Menschen in vielen Berufsgruppen gut tun würde, und die Suche nach kollektiven Entfaltungsmöglichkeiten, welche, wie Serge Latouche es ausdrückt, „andere Ziele begünstigt als den materiellen Wohlstand auf Kosten der Umwelt und der sozialen Beziehungen".
Noch interessanter wird es, wenn sich Rob Davies fragt, „ob das Einkommen so direkt und eng an einen Arbeitsvertrag gebunden sein sollte, wie das jetzt der Fall ist." Die Grundeinkommensbewegung, die auch in Südafrika stark vertreten ist, hat längst schon eine klare Antwort. Sie fordert ein Grundeinkommen, das jedem ermöglicht, die Grundbedürfnisse zu abzudecken. So ein Ansatz ist umso dringender, als Arbeitsplätze in Südafrika und in der Region jetzt schon Mangelware sind, lange bevor die Digitalisierung ihre Schatten geworfen hat.

Boniface Mabanza