EIN RÜCKBLICK AUF DEN LANGZEITPRÄSIDENTEN SIMBABWES. Der 21. November 2017 war das unrühmliche Ende einer ruhmlosen Regierungszeit Robert Mugabes. Zu Unrecht wurde er lange als „Befreier", als Sozialreformer, ja gar als Revolutionär eingeschätzt.
Mugabe, 1924 geboren, trat erst spät in die Politik ein; er war bereits 36 Jahre alt. Von Beruf war er Lehrer und dies war seine ursprüngliche Leidenschaft. Im Lauf seines Lebens erwarb er sieben Universitätsabschlüsse, die letzten noch während seiner Amtszeit als Premierminister (1980-7). Während seines Studiums an der südafrikanischen Universität Fort Hare in den 1950er-Jahren war er erstmals der aufbegehrenden Stimmung unter jungen Afrikanern begegnet. Doch politisch radikalisiert wurde er durch einen dreijährigen Aufenthalt in Ghana, wo er 1957 eine Stelle als Lehrer antrat. Ghana war das erste subsaharische Land in Afrika, das im selben Jahr seine Unabhängigkeit erreichte und unter seinem charismatischen Ministerpräsidenten Kwame Nkrumah Panafrikanismus und sozialrevolutionäres Pathos mit einem Führungsanspruch auf dem afrikanischen Kontinent verband. Während eines Heimaturlaubs sprach Mugabe zum ersten Mal öffentlich am 20. Juli 1960, als die simbabwische Unabhängigkeitsbewegung mit einer Demonstration gegen die weiße Siedlerherrschaft aufbegehrte.
In politischer Gewaltkultur sozialisiert
Mugabe rückte rasch in prominente Positionen der Unabhängigkeitsbewegung auf und erfuhr eine Sozialisierung in eine politische Gewaltkultur, die Nationalisten der ersten Stunde 1957 eingeführt hatten. Politische Gegner und Rivalen wurden als „Sell-Outs", als Verräter, denunziert, was zur Folge hatte, dass die Rivalität zwischen verschiedenen Gruppen immer wieder in Gewalt ausartete, am schlimmsten 1963, als sich die Zimbabwe African National Union (Zanu) von der älteren Zimbabwe African People's Union (Zapu) abspaltete.
Mugabe fand sich schnell in dieser gewaltbesetzten politischen Kultur zurecht und zog als Generalsekretär der Zanu schon in dieser Zeit durch seine maßlose Sprache Aufmerksamkeit auf sich. Als die weiße Regierung unter Ian Smith die einseitige Unabhängigkeit der Kolonie von Großbritannien vorbereitete, ließ sie das gesamte Führungspersonal der beiden Unabhängigkeitsbewegungen inhaftieren. Mugabe verbrachte ein ganzes Jahrzehnt von 1964 bis 1974 hinter Gittern bzw. in einem Internierungslager.
Als der Präsident der Zanu, Ndabaningi Sithole, in eine Falle des Geheimdienstes geriet und öffentlich dem bewaffneten Kampf abschwor, zu dem sich seine Partei bekannte, wurde er von seinen Mitgefangenen 1974 abgesetzt. Weil die beiden anderen Politiker, die in der Hierarchie über ihm standen, 1970 bzw. 1975 starben, rückte Mugabe damit automatisch an die Spitze der Organisation.
Unter dem Druck westlicher Länder ließ Smith die schwarzen Nationalisten 1974 frei, woraufhin Mugabe sich in das gerade unabhängig werdende Nachbarland Mosambik absetzte. Mit der Unabhängigkeit Mosambiks 1975 wurde der politische und militärische Führer der Frelimo, Samora Machel, Staatspräsident des Landes. Er hielt nicht viel von Robert Mugabe und war sogar dagegen, dass dieser die Führung der Zanu übernehmen sollte. Insbesondere konnte er bei ihm keine militärischen Fähigkeiten erkennen. Entgegen seiner späteren Selbststilisierung hat Mugabe selbst nie mit der Waffe in der Hand gekämpft.
Es gelang ihm aber, innerparteiliche Oppositionelle mit Hilfe der mosambikanischen Sicherheitskräfte unschädlich zu machen und zum unangefochtenen neuen Führer der Zanu aufzusteigen. Entgegen seiner späteren Selbststilisierung hat Mugabe selbst nie mit der Waffe in der Hand gekämpft. Liest man seine Reden der späten 1970er-Jahre, als der Unabhängigkeitskrieg eskalierte, findet man außer vagen Bekenntnissen zum Marxismus-Leninismus nichts, was auf eine sozialrevolutionäre Konzeption Mugabes hindeuten könnte. Vielmehr befleißigte er sich einer Sprache, die eher faschistische Anklänge hat, wenn er etwa Gegner als „Ungeziefer" bezeichnete.
Gewalt gegen Wähler
1979 zog die britische Regierung von Margaret Thatcher die Initiative an sich, um den Krieg zu beenden, da selbst Ian Smith mittlerweile begriffen hatte, dass er ihn militärisch nicht gewinnen konnte. Nach intensiven Verhandlungen in London wurde eine Verfassung für ein unabhängiges Simbabwe ausgearbeitet, zudem wurden die Modalitäten für einen Waffenstillstand und die Wahlen festgelegt. Mugabes Truppen gaben jedoch nur teilweise ihre Waffen ab und etliche seiner Guerillas mischten sich in den ländlichen Regionen unter die Bevölkerung.
Deren Einschüchterungen wirkten, denn die Zanu gewann über 60 Prozent der Stimmen, woraufhin die internationalen Beobachter und der britische Interims-Gouverneur die Wahlen als „frei und fair" absegneten, obwohl sie es ganz offensichtlich nicht waren. Mugabe wurde während der Unabhängigkeitsfeier am 18. April 1980 als neuer Premierminister vereidigt. In den folgenden Jahren förderte er den Ausbau des Schul- und Gesundheitswesens, was aber nicht durch eine Wirtschaftspolitik flankiert war, die neue Arbeitsplätze hätte schaffen und die industrielle Basis des Landes hätte ausbauen können. Vielmehr sollte die Bevölkerung auf dem Land gehalten werden, wo die Unterstützung der Zanu am größten war.
Korruption und Misswirtschaft
Schon früh waren Anzeichen von Korruption erkennbar, der Mugabe nie entgegentrat – auch nicht als Präsident, ein Amt, das er seit 1987 ausübt. Vielmehr nutzte er sie, um Parteifreunde und Minister erpressbar und damit von sich abhängig zu machen. Gegen andere Parteien ging er mit Gewalt vor, insbesondere gegen die rivalisierende Zapu. Nur zwei Jahre nach der Unabhängigkeit entfesselte Mugabe eine Gewaltkampagne gegen deren Wähler. Eine Sondereinheit der Armee, ausgebildet von nordkoreanischen Militärberatern, terrorisierte insgesamt fünf Jahre lang die Zivilbevölkerung im Matabeleland. Durch Massaker und Folterungen starben schätzungsweise 20.000 Menschen. Der Glaube an Simbabwe als Erfolgsmodell war aber so stark, dass man im Westen lieber wegschaute und dadurch den Nimbus Mugabes als Freiheitsheld aufrechterhielt, der ihm lange Zeit zugute kam.
Ende der 1980er-Jahre war das Land durch Korruption und ökonomische Inkompetenz der Regierung heruntergewirtschaftet, Simbabwe musste ein Strukturanpassungsprogramm des Internationalen Währungsfonds akzeptieren. Dessen neoliberale Ausrichtung hatte zur Folge, dass Simbabwe Ende der 1990er-Jahre in noch schlechterem Zustand war als ein Jahrzehnt zuvor. Darum nahmen die Proteste zu. Als die ehemaligen Kämpfer des Unabhängigkeitskrieges, um die sich das Regime bis dahin kaum gekümmert hatte, lautstark protestierten und die Lage zu eskalieren drohte, lenkte Mugabe ein und gab jedem Veteranen eine Rente, ohne dass diese insgesamt hohe Summe im Staatshaushalt vorgesehen war. Mugabe versuchte, die Kosten für seine Geldgeschenke an die Veteranen auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen, was zu Protesten und Streiks führte.
Keine Demokratisierung
Aus dem Gewerkschaftsdachverband formierte sich die erste ernstzunehmende Partei, die der Zanu-PF gefährlich werden konnte, die Bewegung für demokratischen Wandel (MDC) unter Führung des Gewerkschafters Morgan Tsvangirai. Als die Regierung eine neue Verfassung der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegte, verlor sie Anfang 2000 erstmals seit der Unabhängigkeit die Mehrheit und ihr drohte eine weitere Niederlage bei den anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
Daraufhin verbündete sich Mugabe mit den Kriegsveteranen und ließ sie die weißen Farmen gewaltsam besetzen. Nun begann eine Welle ungeregelter gewalttätiger Enteignungen, ohne dass ein wirklicher Plan oder ein wirtschaftspolitisch durchdachtes Konzept dahinter gesteckt hätten. Es war vielmehr ein versuchter Befreiungsschlag, um Popularität zu gewinnen. Seit der Jahrtausendwende konnten sich die Regierung und Mugabe selbst nur noch durch Wahlmanipulationen und exzessive Gewalt während der Wahlkämpfe an der Macht halten. Zudem schaltete sich das Militär immer stärker ein und unterstützte den alternden Präsidenten.
Zuspitzung
Mugabe war zeit seines Lebens ein Mann, für den Freundschaft und Loyalität nichts zählten. Er ließ zahlreiche Weggefährten und Parteifreunde fallen, als er sie nicht mehr brauchen konnte. Nach 2000 nahmen Parteisäuberungen zu, was dazu führte, dass immer weniger Machtcliquen gegeneinander um Einfluss kämpften, dies aber mit umso größerer Härte und Rücksichtslosigkeit. Schließlich blieben nur noch zwei Prätendenten übrig: Emmerson Mnangagwa, der jahrzehntelang der Mann fürs Grobe gewesen war und dadurch beste Beziehungen zu Geheimdiensten und Militär aufgebaut hatte. Mugabes 41 Jahre jüngere zweite Frau Grace entwickelte ebenfalls Ambitionen, ohne jedoch über eine eigene Hausmacht zu verfügen.
Nachdem Mnangagwa, bis dahin Vizepräsident Simbabwes, am 6. November entlassen worden war, schlug dieser zurück. Der mit ihm verbündete Armeechef Constantino Chiwenga ließ die Panzer rollen und führte einen Militärputsch durch. Dieser richtete sich insbesondere gegen Grace Mugabe und die mit ihr verbündeten Politiker, die innerhalb weniger Tage aus der Partei ausgeschlossen wurden. Mugabe wurde am 19. November 2017 von seiner eigenen Partei abgesetzt. Damit stellte die Zanu-PF nur unter Beweis, dass sie keine politischen Konzepte hatte, sondern aus Opportunisten bestand, die sich auf die Seite der neuen Mächtigen schlugen, um ihren Zugang zu Macht, Einfluss und – vor allem – Geld nicht zu verlieren. Mnangagwa ist ein Garant dafür, dass die alte Ordnung bestehen bleibt, auch wenn Mugabe nicht mehr da ist.
Die Bilanz Mugabes ist verheerend: Er hat ein Land mit viel Potenzial, einer gebildeten und fleißigen Bevölkerung und einer einst gut funktionierenden Wirtschaft in das Armenhaus des Kontinents verwandelt. Hierdurch hat er die Existenz von Millionen Menschen zerstört und der Jugend seines Landes die Zukunft genommen. Er war nie ein Befreier, sondern nur an seiner persönlichen Macht interessiert.
Christoph Marx
Der Autor lehrt außereuropäische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Zu seinen Buchpublikationen zählen: Mugabe, ein afrikanischer Tyrann (2017) und Südafrika: Geschichte und Gegenwart (2014).