NEUES GRENZMANAGEMENT IN SÜDAFRIKA. Die Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen an Afrikas Grenzen ist schlecht für die Bewegungsfreiheit der Menschen, die Demokratie und Entwicklung.
Das südafrikanische Parlament hat Anfang Juni 2017 einem Gesetzesentwurf für die Einrichtung einer neuen Behörde zum Grenzmanagement zugestimmt. Sie wird vom Innenministerium verwaltet werden, einer Regierungsabteilung, die für ihren respektlosen Umgang mit Migranten und den Rechten von Flüchtlingen bekannt ist. Bislang waren die zuständigen Polizisten und Zollbeamten unter strikter ziviler Kontrolle, auch wenn diese nicht immer effektiv war. Nun wird die neue Behörde aber in der Lage sein, bestehende verfassungsrechtliche Beschränkungen zu umgehen. Zudem sind weitreichende Änderungen in der Einwanderungs- und Asylpolitik in Arbeit, etwa eine risikobasierte Sicherheitsüberprüfung. Sie könnte dazu benutzt werden, den meisten Menschen die Einreise nach Südafrika auf dem Landweg zu verweigern. Darüber hinaus gibt es Pläne, die Asylbewerber solange in Zentren entlang der Grenze festzuhalten, bis ihre Anträge bearbeitet sind.
Südafrikas neue Strategie zum Grenzmanagement ähnelt dem Vorgehen anderer Staaten auf dem afrikanischen Kontinent. Länder wie Eritrea, das bereits repressive Ausreisevisa hat, und die Zentralafrikanische Republik, der Sudan, Niger und Äthiopien – sie alle planen, ihre Restriktionen beim Grenzmanagement zu intensivieren. Dazu zählt die biometrische Erfassung und Militarisierung. Viele dieser Maßnahmen werden in Komplizenschaft mit autoritären Regimen mit Hilfe von EU-Entwicklungsgeldern umgesetzt und erhalten große Unterstützung auf nationaler Ebene.
Sie tragen aber wenig dazu bei, Schmuggel und Menschenhandel oder Terrorismus zu unterbinden, obwohl das immer die Rechtfertigungen für solche Sicherheitsmaßnahmen ist. Vielmehr verstärkt der Ausbau rigider Grenzkontrollen die autoritäre Herrschaft und untergräbt regionale Regierungsinitiativen. Auf lange Sicht wirkt sich dies negativ auf die Entwicklung aus. Denn die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit in und zwischen Ländern ist die Grundlage, damit die Menschen Arbeit finden und in diesen unsicheren Zeiten überleben können. Beschränkungen der Bewegungen – aus welchen Gründen auch immer – richten sich grundsätzlich gegen die Armen und gegen die Freizügigkeit. Solche Strategien behandeln Migranten als Kriminelle und nicht als Menschen, die legitime Interessen haben – Schutz oder Arbeit suchen.
Ära der Eindämmung
Die auf dem afrikanischen Kontinent praktizierte Militarisierung an den Rändern ist ein Kernelement des neuen Ansatzes unter dem Schlagwort „Migrationsmanagement". Im Anschluss auf den Valletta-Gipfel Ende 2015 hat die Europäische Union einen Treuhänderfonds eingerichtet, durch den Milliarden Euro an Entwicklungsgeldern fließen. Und zwar im Rahmen bilateraler Abkommen mit afrikanischen Staaten, die zumeist erschreckend schlechte Menschenrechtsbilanzen haben – etwa Eritrea und Sudan. Legitimiert wird deren finanzielle Förderung mit einer Wortwahl wie staatliche Souveränität. Damit ist die verstärkte Grenzkontrolle Teil einer bereits aufkommenden Ära der Eindämmung, die Mobilität von Afrikanern nicht nur nach Europa, sondern auch auf dem Kontinent pathologisiert und kriminalisiert. Diese sogenannte Entwicklung und Politik der Abschottung und des Zurückhaltens nimmt zweifellos zu, wenngleich das Ausmaß auf dem Kontinent variiert und sich einige Länder und Regionen mehr verpflichten als andere. Bei dieser neuen Form der Entwicklungspraxis wird Erfolg daran gemessen, Menschen in ihren Herkunftsgebieten zurückzuhalten.
Kritiker dieses Ansatzes schauen berechtigterweise vor allem auf die Migranten, die dazu verdammt sind, in Auffanglagern oder -zentren auszuharren. Sie prangern auch die steigende Zahl an Todesopfern an, denn immer mehr Menschen sterben, bevor sie ihr Ziel erreichen. Andere stellen einen Anstieg zweifelhafter Tätigkeiten fest: Schmuggel, Gefangennahme und Menschenhandel. Obwohl der vorherrschende Alarmismus oft mit moralischer Empörung oder professionellem Interesse eingefärbt ist: Diese Geschichten von ausgebeuteten Menschen und ausgelöschtem Leben müssen erzählt werden. Man sollte jedoch nicht dabei stehen bleiben, die Migranten als Opfer der neuen Abschottungspraktiken und -technologien zu betrachten, sonst übersieht man deren Implikationen für die Menschenrechte aller Afrikaner und die Regierungsgewalt auf dem Kontinent. Denn letztlich werden die bilateralen Abkommen zwischen verschiedenen afrikanischen Ländern und der EU die Pläne der Afrikanischen Union und der (sub)regionalen Wirtschaftsgemeinschaften zerschlagen, Mobilität auf dem Kontinent zu erleichtern und sicherer zu gestalten.
Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat schon an einem Protokoll dazu gearbeitet, wird aber nun durch EU-Förderprogramme zur Abschreckung von Migration in der Region und die Angst vor Terrorismus kompromittiert. Deshalb ist es kaum wahrscheinlich, dass die Wirtschafts- und Entwicklungsgemeinschaft im südlichen Afrika SADC und die ostafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft EAC die von der ECOWAS entwickelten Vorschläge fortführen werden. Das lähmt die Politik und schwächt regionale Regierungsmechanismen, die jedoch erforderlich sind, um kollektive Entwicklungsanliegen anzugehen und bessere Positionen im globalen Handel zu erringen. Anstatt Multilateralismus erhalten wir voraussichtlich eine stärkere Militarisierung und autoritärere Herrscher. Die Hilfsgelder und Waffen, die an bestimmte Staatsoberhäupter in der Region fließen, werden die Demokratie sicherlich erodieren, gleichzeitig werden Unsicherheit und Instabilität erhöht.
Wachstumsindustrie
Besonders besorgniserregend ist überdies, dass sich die gerade entstehenden Grenzregime wahrscheinlich auch jenseits der eigentlichen Grenzen ausweiten werden. Die Maßnahmen der EU zielen ja darauf ab, die Mobilität und Bewegungsfreiheit in und zwischen Ländern effektiv zu stoppen. Europa fürchtet, jegliche Mobilität – typischerweise in Richtung der Städte – würde weitere Migrationsprozesse zur Folge haben; auf dem Wege würden dann Migranten nach Europa kommen. Entsprechend betont die neue, migrationsbezogene EU-Entwicklungshilfe die Notwendigkeit, lokale Möglichkeiten zu eröffnen, damit Menschen nicht mehr mehr abwandern müssen. Als Resultat könnten Investitionen in ländlichen Gebieten erhöht werden. Das ist an sich nicht schlecht, doch die Pläne für die Ausgaben werden vom Verlangen verzerrt, die Menschen an Ort und Stelle zu halten.
Afrikanische Führer sorgen sich wenig um Migration nach Europa, aber unter diesen neuen Bedingungen riskieren sie Entwicklungsgelder, wenn sie darin versagen, ihre Bevölkerung in ihren Landesgrenzen zu kontrollieren. Die fortschreitende Urbanisierung bedeutet auch eine politische Herausforderung für ihre Machtabsicherung. Wenn man das Volk nicht nur im Land, sondern auch in „ursprünglichen" ländlichen Gemeinden festhält, hilft das, die Systeme ethnischer Patronage fortzuführen und aufrührerische Städter daran zu hindern, vor den Toren der Präsidentenpaläste zu protestieren.
Das Sicherheitsgrenzmanagement, über das gegenwärtig in Südafrika diskutiert wird, öffnet die Pforten zu einer Eindämmungspolitik, wie sie von der EU gefördert wird. Mit dem neuen Paradigma werden Millionen in Auffanglagern überall auf dem Kontinent festgehalten oder sie sterben an Land- und Wassergrenzen. Statt Handel werden Schmuggel, Menschenhandel und Korruption gedeihen. Das alles werden Politiker beaufsichtigen, die Militärhilfe als unerwartete Geschenke erhalten haben. Und es wird von einer globalen Gemeinschaft beobachtet, die keine moralische Instanz ist, um diese Menschenrechtsverbrechen zu verurteilen.
Die Mehrheit der Afrikaner, die keine Vorstellung von Europa haben, wird in Ländern leben, die noch undemokratischer als bisher regiert werden. Die Afrikanische Union und regionale Kampagnen, die Entwicklung durch rechenschaftspflichtige Institutionen und freie Bewegung fördern wollen, werden höchstwahrscheinlich im Sande verlaufen. Das Resultat wird sein: höhere Ungleichheit in und zwischen den Ländern sowie Anstieg von Armut und gewaltsamen Konflikten. Dadurch wird der Druck steigen, doch zu migrieren – genau das, was Europa eigentlich verhindern will.
Loren Landau und Caroline Kihato
Professor Landau leitet Forschungsprojekte am African Centre for Migration and Society and der Universität Witwatersrand. Dr. Kihato forscht im Rahmen des Graduiertenprogramms für Architektur an der Universität Witwatersrand in Johannesburg.
Dieser Beitrag erschien im englischen Original am 5.7.2017 auf Irinnews.
Wir danken für die freundliche Zusammenarbeit.
Südafrikanisches Gesetz zur Grenzkontrolle
Anfang Juni verabschiedete das südafrikanische Parlament den Border Management Authority Bill. Dieser Gesetzesentwurf sieht vor, dass alle Grenzen und Häfen von einer neu zu schaffenden Behörde kontrolliert werden sollen. Sie wird dem Innenministerium unterstehen, das auch neue grenznahe Zentren bzw. Auffanglager für Asylbewerber einrichten wird. Asylverfahren sollen beschleunigt, Menschenhandel und (Drogen)schmuggel verhindert werden. Bislang gibt es ein Komitee zur Koordination der Grenzkontrollen, daran sind auch die südafrikanische Polizei (SAPS) und die Steuerbehörde (SARS) beteiligt. Kritiker befürchten, die neue Behörde werde schwer kontrollierbar sein, da die Zölle (ca. drei Milliarden Rand jährlich) nun dem Innenministerium zufließen sollen. Korruption werde steigen, während sich die Bedingungen für die jährlich ca. 70.000 Asylbewerber wegen der drastischen Kontrollen und Mobilitätsbeschränkungen verschlechtern werden. Es gehe um eine Militarisierung, Nationalisierung und Rekolonisierung der Grenzen.