ENTWICKLUNGSDEBATTEN IN SIMBABWE SEIT DEN 1980-ER JAHREN. Ressourcen – ein Fluch oder Segen für die Entwicklung des Landes? Diese Frage und alle weiteren Entwicklungsdebatten erfordern eine Auseinandersetzung mit der über 90-jährigen Kolonialherrschaft. Sie verursachte ökonomische Gegensätze und spannungsgeladene Produktionsstrukturen.
Als das ressourcenreiche Simbabwe 1980 unabhängig wurde, zeigten sich die Konfliktlinien besonders deutlich in der Landwirtschaft: Ein prosperierender weißer Farmsektor und im Kontrast dazu 320.000 schwarze Farmarbeiter, die auf kommerziellen Farmen unter schwierigsten Bedingungen leben mussten. Die Farmarbeiterfamilien wurden in winzigen Häusern ohne fließendes Wasser oder Strom untergebracht. Ähnliches betraf den lukrativen Minensektor, der wie die Landwirtschaft von transnationalen Unternehmen unter der Leitung von Anglo-American dominiert wurde. Über 60.000 schwarze Minenarbeiter wurden hier zu sehr geringen Löhnen beschäftigt. Ausbeutung und Schinderei prägten die gewinnbringenden Kohleminen.
Sowohl die Agrarwirtschaft als auch die Minenbetreiber zahlten kaum Steuern und überließen der Regierung die Finanzierung der sozialen Dienstleistungen, der Straßen, Wasser- und Stromversorgung. Die verarbeitende Industrie war der Stolz des Regimes unter Ian Smith, sie trug während der unilateralen Erklärung der Unabhängigkeit (UDI) Rhodesiens 1975-1979 einen Großteil zum Bruttoinlandsprodukt bei.
So hatte das Land aufgrund seiner großen Produktionsleistung und der hohen Beschäftigtenzahl von 160.000 Arbeitskräften den zweitgrößten Industriezweig in Sub-Sahara-Afrika. Die rapide Expansion des Manufaktursektors unter einer importsubstituierenden Industrie verstärkte aber die Verzerrungen und die Außenabhängigkeit der drei Wirtschaftssäulen: Kommerzieller Agrarsektor, Minen und verarbeitende Industrie. Und die meisten Simbabwerinnen und Simbabwer konnten sich die dort produzierten Güter gar nicht leisten. Die kleinen afrikanischen Unternehmer blieben ebenso wie die schwarze Bevölkerungsmehrheit sehr arm.
Diese strukturellen Gegensätze waren ein typisches Beispiel für Wachstum ohne Entwicklung. Etwa 850.000 Kleinbauernfamilien, also drei Viertel der Bevölkerung, lebten dicht gedrängt in unfruchtbaren, steinigen und überweideten Gebieten – ohne adäquate Wasser- und Stromversorgung. Es waren vor allem arbeitslose Frauen, Kinder und Alte. So überrascht es nicht, dass simbabwische Entwicklungsforscher wie Lloyd Sachikonye, Ibbo Mandaza, John Makamure und John Makumbe in den 1980er-Jahren diese Paradoxien analysierten.
Entwicklungstheorien versus Realitäten
Liberale neoklassische Ansätze, die unter anderem Berater des Internationalen Währungsfonds in den 1980er-Jahren in Simbabwe vertraten, aber auch Entwicklungstheorien, die damals eine staatlich gelenkte und Neustrukturierung der Industrie, des Finanzwesens und anderer Institutionen verlangten, stimmten darin überein, dass Produktivitätssteigerungen und verbesserter Lebensstandard auf höherer Spezialisierung und Austausch basieren. Sogar Entwicklungsansätze, die eine staatlich geplante beschäftigungsintensive Industrieproduktion propagierten, mussten beachten: Ein Binnenland wie Simbabwe konnte keine Kapitalgüter-Industrie unterstützen, um eine eigenständige Wirtschaft aufzubauen.
Ein Ausweg hätte die regionale Integration sein können, schließlich ist das südliche Afrika sehr reich an mineralischen, agrarischen und anderen Ressourcen, Kapital und Märkten. Doch der Southern African Development Community (SADC), der Entwicklungsgemeinschaft im südlichen Afrika, gelang es über Jahrzehnte nicht, die Region in eine moderne, industrialisierte, ausgewogene und integrierte Wirtschaftszone zu transformieren und die Lebensbedingungen von über 200 Millionen Menschen zu verbessern.
Diese eingeschränkte regionale Integration erklärt zum Teil die verschlungenen Entwicklungswege Simbabwes: Vom Pseudo-Sozialismus in den 1980er-Jahren zu wirtschaftlichen Strukturanpassungsprogrammen (ESAP) in den 1990er-Jahren, zur Landreform, massiven Rezession und Hyperinflation ab 2000 sowie einer stagnierenden Ökonomie ab 2010. Anstatt Entwicklung zu fördern, verursachten sie zusammen mit den zerstörerischen Folgen des Kolonialismus die fortdauernde Entwicklungskrise im Land. Kennzeichnend dafür sind mangelnde Investitionen, rasanter wirtschaftlicher Niedergang, Arbeitslosigkeit, Armut und Gewalt vor und nach Wahlen während der sich dahinschleppenden Herrschaft der Zanu-PF unter Präsident Robert Mugabe.
Erodierte Entwicklung
Die Erosion der Kapazitäten zur Existenzsicherung in urbanen und ländlichen Gebieten wurde zur Umkehr dessen, was Entwicklung bedeutet. Visionäre Prognosen aus den 1980er-Jahren, wonach der produktive Sektor das Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung und grundsätzliche Verbesserungen des Lebensstandards der Stadt- und Landbevölkerung hätte, erwiesen sich als unrealistisch. Fortbestehende ethnische Differenzen und Ungleichheiten zwischen Bevölkerung und Eliten ließen solche Hoffnungen schwinden. Die bereits geringen Steuereinnahmen schrumpften, der Staat wurde von nationalen und internationalen Krediten abhängig. Verschuldung und Schuldenlast stiegen.
Die marktorientierten Strukturanpassungsprogramme des Weltwährungsfonds, wie dessen Forderungen zur Reform des öffentlichen Sektors und der Handelsliberalisierung, hatten katastrophale Folgen wie sinkende Einkommen und steigende Arbeitslosigkeit. Die eindrucksvollen Verbesserungen in Ernährung, Bildung und Hausbau bis 1990 wurden durch ESAP und die angeordneten Einschnitte in staatlichen Dienstleistungen zerstört.
Gleichzeitig konzentrierte sich die Agrarpolitik der Regierung auf die Modernisierung der Landwirtschaft, konkret auf Gelder zur technischen Ausstattung kommerzieller Großfarmen, während traditionelle Anbautechnologien und Landbesitz- bzw. Pachtverhältnisse weiterhin Hindernisse für Produktionssteigerungen blieben. Es fehlte eine umfassende politische Strategie zur Ernährungssicherung. Doch auch Wissenschaftler stritten über die Problemursachen und den richtigen Entwicklungsweg: David Moore, Edwin Brett und Bruce Campbell prangerten den Autoritarismus und die Ineffizienz der Regierung an, während Kirk Helliker die chaotische Landenteignung ab 2000 kritisierte. Ein Team um Ian Scoones bewertete die Landreform hingegen als positiv.
Urbane Existenzprobleme
Die Landumverteilung ist das konfrontativste Thema in der ganzen Entwicklungsdebatte, das betrifft auch die urbanen Gebiete. Denn die städtische Bevölkerung steigt. Während 1982 etwa zwei Millionen Menschen in Städten lebten, waren es 1992 3,2 Millionen und im Jahr 2000 4,8 Millionen. 2017 wohnen 5,1 Millionen Simbabwerinnen und Simbabwer im urbanen Raum, viele in informellen Siedlungen ohne öffentliche Infrastruktur. Gerade dort sind Armutsprobleme besonders verbreitet. Denn die Industrie ist längst geschrumpft. Vor allem die umfangreichen Schließungen von Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe hatten massive Arbeitslosigkeit zur Folge. Während 2003 noch 3,6 Millionen Menschen als Arbeitskräfte in Betrieben beschäftigt waren, sank ihre Zahl innerhalb von fünf Jahren auf 480.000. Eine Ursache ist die Wirtschaftspolitik ab 2000; sie verursachte drastische ökonomische Probleme und eine steigende Inflation, im November 2008 betrug sie schätzungsweise 79,6 Milliarden Prozent.
Trotz umfangreicher Diamantenfunde – allein 2013 produzierte Simbabwe Rohdiamanten im Wert von 16,9 Millionen Karat – und anderer mineralischer Ressourcen drehte sich die Abwärtsspirale weiter. Zwischen 2011 und 2014 schlossen 4610 Unternehmen, 55.543 Arbeiter verloren ihre Jobs. Die verbliebenen Fabriken produzierten nur einen Bruchteil dessen, was ihre Kapazitäten hätten leisten können. Grund dafür waren unter anderem fortdauernde Finanzprobleme.
2005 verschärfte die staatlich angeordnete Operation Murambatsvina (Restore Order/Wiederherstellung der Ordnung) die Problemlage. Der landesweite Abriss zerstörte über 92.000 Häuser und Unterkünfte, die als illegal kategorisiert worden waren. Ein offizieller Bericht der Vereinten Nationen dokumentierte: Auch mindestens 32.500 Handwerksbetriebe und Marktstände wurden systematisch von Bulldozern plattgewalzt. So wurden Wohnraum und Existenzgrundlagen im informellen Sektor von etwa 700.000 Menschen vernichtet, was die Armutsprobleme verstärkte.
Abermals sanken Staatsausgaben und öffentliche Leistungen kollabierten. Schon 2006 stellte die Weltbank fest, dass Errungenschaften wie die hohe Bildungsrate und Gesundheit für alle zerstört würden. Hinzu kam die Arbeitsmigration von medizinischem Personal ins Ausland. Und das in einer Zeit, als über 13 Prozent der 15- bis 49-Jährigen HIV-positiv waren. Nach wie vor sind Geldsendungen der Migrantinnen und Migranten existenzsichernd, denn auch die Konkurrenz im informellen Sektor steigt. Davon sind nicht nur Kleinhändler/innen betroffen, sondern auch Diamantengräber und Goldschürfer/innen. Letztere produzierten in den ersten acht Monaten dieses Jahres 7,2 Tonnen Gold. Auch der nationale Goldexporterlös im Wert von insgesamt 913,4 Mio. US-Dollar im Jahr 2016 trug nicht zur Verbesserung der Lebenssituation von Kleinschürfern bei.
Bis heute sind weit über achtzig Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung im Land ohne Jobs. Viele sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Versorgungsleistungen übernehmen humanitäre Organisationen, und auch Nichtregierungsorganisationen treten seit der politischen Unabhängigkeit 1980 als Entwicklungsakteure auf.
Zivilgesellschaft gegen den Staat
Während der ersten Dekade nach der politischen Unabhängigkeit beruhten zahlreiche Entwicklungsprogramme auf Gemeindeebene zu Gesundheit, Bildung und Einkommenserwerb auf einem partnerschaftlichen Austausch zwischen Regierung und Nichtregierungsorganisationen. Advocacy-Arbeit zur Beeinflussung staatlicher Entwicklungspolitik stand nur selten auf der Agenda. Dennoch wurde das Verhältnis zwischen NGOs und Regierung ab Mitte der 1990er-Jahre spannungsgeladen und von Misstrauen beeinträchtigt – ein Prozess, der von der Regierung ausging.
In der Folgezeit beschwerten sich NGOs über Tendenzen zu staatlichem Zentralismus. Einige hatten versucht, die verheerenden Folgen der Strukturanpassungsprogramme zum Anlass zu nehmen, im Dialog mit der Regierung und staatlichen Stellen andere Entwicklungspfade zu beschreiten. Manche wollten auch konkret an Policy-Formulierungen mitwirken, um weitere Schäden zu vermeiden. Gleichzeitig richteten die Geber ihre Förderungen vor allem auf Menschenrechte aus, definierten diese aber mit Betonung auf die politischen und staatsbürgerlichen Rechte, wobei sie zumeist dazu tendierten, die sozialen und wirtschaftlichen Rechte auszuschließen. Diesen Ansatz übernahmen auch manche simbabwische Menschenrechtsorganisationen; sie verlangten gute Regierungsführung als Basis für wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Die Regierung antwortete mit gesetzlichen Restriktionen gegen die NGOs, deren Mitarbeiter, deren Internetkommunikation und Finanzen. So wurden die Kämpfe zu einer Konfrontation von „Zivilgesellschaft gegen den Staat".
Nothilfe anstatt selbstbestimmte Entwicklung
Bei etlichen NGOs, beispielsweise kirchlichen Organisationen, zeichnete sich in den 1990er-Jahren folgende Tendenz ab: Sie dünnten ihre Programme zur partizipativen Gemeindeentwicklung aus und fokussierten nur noch auf Nothilfe – eine Tendenz, die mit der Dürrekrise Anfang der 1990er-Jahre punktuell begonnen hatte. Nur wenige Organisationen setzten ihre Arbeit zur Förderung lokaler Akteurinnen und Akteure als Träger/-innen selbstbestimmter Entwicklung fort; vielen fehlten dazu die finanziellen Ressourcen. Denn Ansätze zur Armutsbekämpfung sind von Gebern gesteuert und schaffen Abhängigkeitssyndrome. Projekte werden für, aber nicht mit den Menschen geplant. Das Gegenteil wäre notwendig. Deshalb müssen die NGOs ihre Ausrichtung grundlegend ändern und die Bevölkerung von Anfang an aktiv einbeziehen.
Das ist um so wichtiger, als einige nationale und internationale NGOs nun Entwicklungsansätze bestimmen. Gleichzeitig manipuliert die Regierungspartei Zanu-PF die armen Menschen für eigene politische Interessen. Laut Weltbank zählen 3,28 Millionen Menschen in Simbabwe zu den extrem Armen und 4,4 Millionen sind ohne ausreichend Nahrung. Sie sollten als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gesehen werden, die ein Recht auf soziale Dienstleistungen und Arbeitsplätze haben. Die ländlichen und städtischen Armen sollten nicht als Hilfsempfänger von Almosen, sondern als Marktsegmente mit Kapazitäten zu Produktion und Konsum adressiert werden. Simbabwe hat die Potenziale dazu. Doch sein Ressourcenreichtum an Mineralien und Land ist angesichts der fortbestehenden Arbeitslosigkeit und Armutsprobleme eher wie ein Fluch und kein Segen.
Vimbai Kwashirai
Der Autor ist Historiker. Er forscht zur Umwelt-, Klima- und Armutsgeschichte in Simbabwe.