Heft 6/2020, Mauritius: Kultur

Opernfreunde fürs Leben

HAND IN HAND FÜHRT EIN DEUTSCHER VEREIN MIT MAURITIUS DIE OPERNTRADITION DER TRAUMINSEL FORT.

Freundschaft und kultureller Austausch trotz großer Entfernung und gerade wegen kultureller Gemeinsamkeiten und Unterschiede, so bilderbuchhaft liest sich die fast lückenlose Geschichte der Oper auf Mauritius. Doch zurück zum Anfang: Mauritius, das Paradies auf Erden mit seinem azurblauen Meer, den weißen Stränden und Palmen liegt im Indischen Ozean an der Ostküste Südafrikas, weiter östlich noch als Madagaskar. Daneben zeichnen die tropische Trauminsel besonders die ethnisch-kulturelle Vielfalt, die dadurch auch vielseitige Küche oder der bunte Sega mit seinem Tanz und seiner Musik aus. Friedlich lebt die Bevölkerung mit kreol-afrikanischen, französischen, englischen, indischen oder chinesischen Einflüssen, leben Christen, Hindus und Muslime Seite an Seite in einer stabilen Demokratie – einer der wenigen Afrikas.

Noch etwas ist einzigartig: Das älteste Opernhaus der Südhalbkugel, erbaut 1822, befindet sich in der Hauptstadt Port Louis im Norden des Landes. Schon seit Ende des 18. Jahrhunderts gab es auf Mauritius ein vielfältiges Opernleben. Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt waren zu Gast. Das Haus steht auch heute noch sinnbildlich für die jahrhundertealte Operntradition der Insel. Im Zuge der Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien in den 1960er-Jahren wurde es allerdings dem Verfall preisgegeben. Das fast 200 Jahre alte Opernhaus ist seither nicht bespielbar. Die neugewählten Regierungen versagten den Betreibern der Theater finanzielle Mittel, und durch häufig wechselnde Bürgermeister wird die Zuständigkeit immer weitergegeben, ohne dass etwas passiert. Auch essenzielle musische Fertigkeiten in der mauritischen Gesellschaft sind durch das Ende des Opernbetriebs im Verschwinden begriffen, Chöre und Orchester verkümmerten, Musikunterricht an den Schulen findet nur eingeschränkt statt.

Seit einigen Jahren erleben die Oper und die klassische Musik jedoch eine beispiellose Renaissance: Der mauritische Unternehmer Paul Olsen, der Dirigent und musikalische Leiter der Opera Mauritius, Martin Wettges, sowie die nach Mauritius emigrierte deutsche Opernsängerin Katrin Caine haben die einstmals so strahlende Institution Opera Mauritius nach mehrjähriger Vorbereitungszeit 2009 wieder auferstehen lassen.

Das Ziel dieser mauritischen Operninitiative sind nicht Gastspiele aus Europa, sondern die Unterstützung lokaler Kultur: Chor und Gesangsensemble setzen sich fast ausschließlich aus mauritischen Sängerinnen und Sängern zusammen, die von Katrin Caine und Martin Wettges ausgebildet wurden. Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme und Choreographie stammen von einheimischen Künstlerinnen und Künstlern: Musiktheater von Mauritierinnen für Mauritier. Mit Faszination und großem Engagement sind alle dabei. Gleich in den ersten Jahren wurden die Opern Les Pêcheurs de perles (2009), Carmen (2010), Hänsel und Gretel (2011) und La traviata (2012) auf die Bühne gebracht.

Um die Förderung von deutscher Seite zu intensivieren und dabei zu helfen, die klassische Musik- und Opernszene auf Mauritius wiederzubeleben, wurde 2013 der Berliner Förderverein „Freunde der Opera Mauritius" ins Leben gerufen. Die „Freunde" verfolgen vor allem drei Förderziele: die musikalisch-künstlerische Ausbildung auf breiter Basis langfristig wieder zu gewährleisten, regelmäßige Neuproduktionen von großen Operninszenierungen auf die Insel zu bringen, bei Konzert- und Musikprojekten zu unterstützen sowie die Restaurierung und Renovierung des Opernhauses nach bereits bestehenden Plänen des deutschen Stararchitekten Stefan Braunfels voranzutreiben. Während für das Gebäude weiterhin die nötigen Großspenden fehlen, sind schon mehrere Nachwuchsprojekte und Opernproduktionen erfolgreich ideell und finanziell gefördert worden.

Seit 2016 wird das Gerda Neudeck-Stipendium an talentierte Gesangsschülerinnen und -schüler von Katrin Caine und Véronique Zuël vergeben, womit ihnen ein Jahr lang der Gesangsunterricht finanziert wird. Das Ermöglichen von Reisen und Patenschaften, um den Austausch zu gewährleisten, gehören ebenso dazu.

Ungefähr genauso lang wie den Verein gibt es die Musikschule Vent d'un rêve (Traumwind) im ärmeren Viertel Mangalkhan, die der Verein regelmäßig durch Geld- und Instrumentenspenden, Vermittlung von Musiklehrerinnen und -lehrern aus Deutschland oder anderen Förderungsformen unterstützt. Das neuste Nachwuchsprojekt ist unmittelbar damit verbunden: Die dieses Jahr gegründete Music (Mauritius) Foundation (MMF). Mittels der Gründung weiterer Schulen nach dem Vorbild von „El Sistema" soll dafür gesorgt werden, dass musikalische Bildung und Fähigkeiten in der Breite nach Mauritius zurückkehren. Das Ziel bis 2030: ein mauritisches Jugendnationalorchester.

Als Neuproduktionen kamen neben den oben bereits erwähnten Opern weiterhin Dido and Æneas (2013), Orphée aux enfers (2015) sowie La Veuve joyeuse (2018) auf die mauritische Bühne, Katrin Caine verwirklichte bereits mehrere Kindermusicals und Konzerte mit ihrem Kinderchor Rainbow Voices und dem Erwachsenenchor The Island Voices, und auch Opera Mauritius hat mit zahlreichen Konzerten, Liederabenden und Opernübertragungen im Kino die klassische Musik und Oper zurück nach Mauritius gebracht.

Der Großteil der Akteurinnen und Akteure sind neben einigen mauritischen Solistinnen und Solisten berufstätige Laien, die jedoch auf sehr professionellem Niveau diese Produktionen auf und hinter der Bühne realisieren. Für die Posten, die zurzeit noch nicht mit Mauritierinnen und Mauritiern besetzt werden können, werden internationale, ehrenamtliche Gastkünstlerinnen und Gastkünstler engagiert. Da ein mauritisches Orchester erst entstehen soll, reisen außerdem internationale Orchester an. Für Orphée aux enfers sowie La Veuve joyeuse gab es hierbei eine Zusammenarbeit mit der Opernakademie der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Daneben entstanden schon mehrere Kooperationen mit dem Münchner Gärtnerplatztheater: Für La Veuve joyeuse konnten Musikerinnen und Musiker des Theaters gewonnen werden, und 2019 hatte der Verein einen Stand beim Gärtnerplatz-Open-Air und sammelte Spenden für die Music (Mauritius) Foundation. Für die MMF, die Musikschulen sowie den Nachwuchs generell werden auch die großzügigen Instrumentenspenden eingesetzt, die den Verein letztes und dieses Jahr über das Engagement von Gärtnerplatztheater-Geiger Albert Ginthör erreichten und die zum Teil vom Rotary Club Steyr (Oberösterreich) großzügig finanziert wurden.

Zurzeit werden Musiktheater und Konzerte vor allem an alternativen Spielorten wie dem J&J Auditorium in Phoenix, dem MGI Auditorium in Moka, weiteren kleineren Theatern oder Sälen sowie im Ende 2018 eröffneten Caudan Arts Centre in Port Louis gegeben. Doch das traditionsträchtige Opernhaus wäre ein ideales Gebäude explizit für die sich gerade entwickelnde zukünftige Opernlandschaft von Mauritius. Nicht nur könnte die mauritische Oper so wieder eine feste und zugleich sichtbare Heimat mit Büros, Proberäumen und Werkstätten finden, nach den Plänen von Braunfels soll zudem aus dem imperialen Gebäude durch starke bauliche Veränderungen eine „Volksoper" im unmittelbaren Sinn mit Cafés im Vorderbereich gemacht werden. Ob das bis zum 200. Jubiläum 2022 noch gelingt, ist leider fraglich.

Zumindest sind mit der Musikschule, den Instrumentenspenden, dem professionellen Gesangsunterricht sowie der Music (Mauritius) Foundation bereits wichtige Grundsteine gelegt, um den Nachwuchs so auszubilden, dass die Opera Mauritius in naher Zukunft eigenständig von Mauritierinnen und Mauritiern bestritten werden kann. Schon jetzt organisieren Nachwuchsmusikerinnen und -musiker eigene Konzerte: Die Projektgruppe „For the Love of Singing" richtete diesen August bereits zum dritten Mal in Zusammenarbeit mit Vent d'un rêve ein klassisches Konzert aus. Als nächstes Großprojekt von Opera Mauritius steht für 2021 Mozarts Zauberflöte in einer mobilen Schulfassung sowie einer größeren Familienfassung im Caudan Arts Centre auf dem Plan.

Fruchtbarer Kulturaustausch ist nicht nur charakteristisch für die Insel, sondern wird über die Zusammenarbeit zwischen Mauritius und Deutschland weiter kultiviert. Schon viele künstlerische Innovationen sind daraus hervorgegangen: Durch das deutsch-mauritische Regieteam spielte der zweite Akt von Lehárs La Veuve joyeuse auf Mauritius; ein mauritischer Komponist hat zudem Sega-Einlagen komponiert, die innerhalb der österreichischen Operette von der mauritischen Popdiva Linzy Bacbotte gesungen wurden. Bereits in Les Pêcheurs de perles wurden und werden auch nächstes Jahr in der Zauberflöte die europäischen Opern mit indischem Tanz in einer Kooperation mit dem Mahatma Ghandi Institute angereichert. Und überhaupt: Bereits langjährige berufliche und private Freundschaften sind so schon entstanden. Wer einmal zu den Freunden der Opera Mauritius zählt, möchte diese so schnell nicht wieder missen.

Inken Meents

Freunde der Opera Mauritius e. V.

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