DER ZERFALL VON SIMBABWES OPPOSITIONSPARTEI MDC. Der regierenden Zanu-PF ist es gelungen, die oppositionelle „Bewegung für demokratischen Wandel" (MDC) unter Ausnutzung der internen Machtkämpfe und mithilfe der gleichgeschalteten Gerichte und des Parlaments zu zermürben. Drei Jahre vor den nächsten Wahlen 2023 ist Simbabwes Opposition zersplittert und als Partei praktisch außer Gefecht gesetzt.
Die anhaltenden Machtkämpfe innerhalb der MDC hatten 2018 zur Spaltung der Partei in zwei Fraktionen geführt: der MDC-Allianz unter Führung von Nelson Chamisa und der MDC-T von Thokhozani Khupe. Die Lage für die Oppositionspartei hatte sich noch einmal verschärft, als Khupe im Mai dieses Jahres 30 Abgeordnete der Chamisa-Fraktion aus dem Parlament abgerufen hatte. Die Parlamentssitze der Opposition bleiben nun bis zu einer Nachwahl vakant. Diese Entwicklungen bestätigen zweifellos, dass es der Zanu-PF gelungen ist, die MDC nicht nur zu spalten, sondern sie auch zu zerstören.
Obwohl die unsichtbare politische Hand Präsident Mnangagwas bei den MDC-Streitigkeiten deutlich zu spüren war, sollte man nicht vergessen, dass der Gründer der MDC, der im Februar 2018 verstorbene Oppositionsführer Morgan Tsvangirai, selbst auch zur Spaltung beigetragen hatte. Auf seinem Sterbebett ernannte Tsvangirai neben seiner stellvertretenden Parteivorsitzenden Thokhozani Khupe unter Umgehung der Parteistatuten zwei weitere Stellvertreter: Nelson Chamisa und Elias Mudzuri. Khupe war auf dem MDC-Parteitag 2014 gewählt worden. Chamisa, der um den Posten des Generalsekretärs kämpfte, hatte auf diesem Parteitag gegen Douglas Mwonzora verloren.
Nach Tsvangirais Tod erwirkte Chamisa eine Abstimmung im höchsten Entscheidungsgremium der Partei, dem Nationalrat, bei dem ihm die Interimsführung übertragen wurde. Khupe boykottierte die Nationalratssitzung unter Berufung auf die Parteisatzung. Danach hätte ihr als gewählter Partei-Vize bis zur Abhaltung eines erneuten Wahlparteitags automatisch der Interims-Parteivorsitz zugestanden. Die Folge war, dass Chamisa eine Parteien-Koalition, die MDC Alliance, in die nationalen Wahlen vom 31. Juli 2018 führte. Khupes Fraktion kandidierte unter dem Namen MDC-T (Tsvangirai) als rivalisierende Gruppe.
Gerichtsurteil zu Gunsten von Khupe
Die MDC-Allianz ist noch von Tsvangirai als Koalition oppositioneller politischer Parteien gegründet worden, um bei den Wahlen von 2018 vereint gegen die Zanu-PF anzutreten. Laut dem Koalitionsvertrag geht die Führungsrolle an die Person, die den Vorsitz der MDC-T innehat. Chamisa, der die Koalitions-Führung auf umstrittene Weise übernommen hatte, erhielt über 100 Sitze im Parlament, während auf Khupe nur zwei Sitze entfielen.
Diese hatte vor den allgemeinen Wahlen vom 31. Juli 2018 Chamisas Führung angefochten und ihn vor Gericht gezerrt. Der Supreme Court entschied am 31. März dieses Jahres zu ihren Gunsten und interpretierte die Entscheidung Tsvangirais, Mudzuri und Chamisa zu seinen Co-Stellvertretern zu machen, als Verstoß gegen die Parteistatuten. Laut dem Urteil müssen die im Jahr 2014 bestehenden Parteistrukturen wiederhergestellt werden. Danach hatte die MDC-T zum Zeitpunkt von Tsvangirais Tod nur ein Vizepräsidentenamt. Khupe hätte also im Amt bleiben müssen und ist damit ganz offiziell Vorsitzende der MDC-Allianz.
Seit ihrer Gründung 1999 klagt die Opposition darüber, dass sich die Zanu-PF der Gerichte bemächtigt und diese in allen die Opposition betreffenden Fällen stets zugunsten der Regierungspartei entscheiden. In diesem Sinne beklagt auch Chamisa, der in den Präsidentschaftswahlen 2018 nur knapp von Mnangagwa geschlagen wurde und eine enorme Herausforderung für den Status quo darstellte, dass die Entscheidung zu Gunsten Khupes im Urteil um die MDC-Führung das Interesse des Staates an einer Zerschlagung der Opposition bestätigt. Die Verfassung Simbabwes ermächtigt den Präsidenten, nach Konsultationen mit der Justizkommission Richter zu ernennen.
Khupe schloss sich im Mai 2017 anderen kaum bekannten Oppositionsparteien an. Sie firmieren unter dem Namen Political Actors Dialogue (Polad), einer regierungsnahen Gruppierung, die von Präsident Mnangagwa gegründet und ins Leben gerufen wurde. Als ein Bündnis „oppositioneller" politischer Parteien hatte Polad an den 2018er-Wahlen teilgenommen und gegen Zanu-PF verloren, die dieser Gruppierung, die sich regelmäßig zu „Fragen von nationalem Belang" trifft, selbst angehört.
Chamisas MDC-Allianz lehnte es von Anfang an ab, sich an Polad zu beteiligen, da sie das Bündnis als Anhängsel der Zanu-PF sieht. Das für sie vorteilhafte Urteil hat sich Khupe ihrer Auffassung nach über die Teilnahme an Polad erkauft. Seitdem hat Khupe die Parlamentsfraktion der MDC-Allianz „gesäubert", die Zahl der Oppositionsvertreter im Parlament weiter reduziert und ihren Einfluss im Parlament geschwächt. Sie wurde in der Folge vom Parlamentspräsidenten Jacob Mudenda, Zanu-PF-Mitglied und enger Getreuer von Präsident Mnangagwa, als Oppositionsführerin im Parlament vereidigt. Damit erfreut sie sich zahlreicher Vorteile, etwa staatlicher Sicherheitshilfen, einer Autokolonne und eines Regierungsamts.
Für die Zanu-PF hat sich die ganze Sache gelohnt: Wann immer sie ein neues Gesetz erlassen will, verfügt sie nun über ein Monopol. Zudem kommt der Regierungspartei die schwindende Zahl von Abgeordneten der Opposition entgegen. Sie kann nun die Verfassung ändern und mehrere fortschrittliche Gesetze abschaffen, die ihrer andauernden Herrschaft entgegenstehen.
Wenig Hoffnung auf Einigung
Diese jüngsten Entwicklungen in einer Opposition, die 1999 von der Gewerkschaft, dem Zimbabwe Congress of Trade Unions (ZCTU), zivilgesellschaftlichen Gruppierungen, Studierenden und der Kirche gegründet wurde, haben jegliche Hoffnungen ihrer Anhänger auf ein demokratisches Simbabwe enttäuscht und zunichte gemacht. Die Rolle des ZCTU bei der Gründung der MDC bestand damals darin, diese Aufgabe zur Jahrtausendwende zu meistern, nachdem die Gewerkschaft erkannt hatte, dass das Land gefährlich in einen Einparteienstaat abgerutscht war. Gewerkschaft und Opposition sind zwar eigenständige Größen, die unabhängige Entscheidungen und Beschlüsse treffen, doch beiden bereitet der Zerfall der Oppositionsbewegung Sorge.
„Obwohl es bedauerlich ist, was in der MDC geschieht, mischt sich der ZCTU nicht in ihre Angelegenheiten ein", meint ZCTU-Generalsekretär Japhet Moyo in einem Interview. Man warte erst auf ein Signal der MDC. „Sie haben ihre Entscheidungen getroffen, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen, uns zu informieren. Wir sind mit dem Weg, den die andere Fraktion zur Auflösung dieser ausweglosen Situation einschlägt, nicht einverstanden, doch wir haben beschlossen, unsere Vorbehalte nicht öffentlich zu machen und auf den richtigen Zeitpunkt zu warten, um unseren Unmut zu äußern." Parteiinterne Kämpfe und Spaltungen seien in Simbabwe nichts Neues, es gab sie vor der Unabhängigkeit und danach, aber der Befreiungskampf ging weiter. Deshalb sei der vom Chamisa-Khupe-Streit verursachte Rückschlag nur vorübergehender Natur, eine freie und faire Wahl könne sich mit der Frage befassen, wer von den beiden legitimiert ist.
Laut Moyo haben die MDC-Fraktionen nach der Pfeife von Zanu-PF getanzt. „Die Hand der Zanu-PF in ihrer Auseinandersetzung ist eklatant sichtbar und das macht die Wiedervereinigung im Moment zu einem schwierigen Unterfangen. Die Zanu-PF wird die sich bekriegenden Fraktionen wahrscheinlich so lange gegeneinander aufhetzen, wie sie es für nötig hält", meint er.
Auch die „Crisis in Zimbabwe Coalition" hatte als Dachverband zivilgesellschaftlicher Organisationen bei der Gründung der MDC eine wichtige Rolle gespielt. Rashid Mahiya, der Vorsitzende der Koalition, hält die Machtkämpfe innerhalb der Opposition für unglücklich: „Wir glauben, dass eine demokratische Gesellschaft viele verschiedene Stimmen von Bürgerinnen und Bürgern, der Opposition, Kirche und der breiten Öffentlichkeit braucht. Um dies zu erreichen, brauchen wir eine starke Opposition, die alternative Lösungen für die aktuellen Herausforderungen anbietet und die Regierungspartei in Schach hält. Deshalb sehen wir die Kämpfe in der wichtigsten Oppositionspartei mit Sorge, denn sie lenken davon ab, sich auf die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Güter zu konzentrieren, die der Staat bereitstellen sollte. Der Kannibalismus innerhalb der Opposition, bei dem gewählte Vertreter von nur wenigen Leuten in Führungspositionen zurückgerufen werden, ohne die Ansichten der Wählerschaft überhaupt zu berücksichtigen, ist besorgniserregend", beklagt Mahiya.
Wenn man Clifford Hlatywayo glaubt, stellvertretender Sprecher der MDC-Allianz, besteht wenig Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der MDC-Fraktionen. Hlatywayo wies jede Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der Khupe-Fraktion zurück. „Es muss klargestellt werden: Thokozani Khupe hat ihre politische Partei, die MDC-T, und wir haben unsere politische Partei, die MDC-Allianz, die von dem Präsidenten und Anwalt des Volkes Nelson Chamisa geführt wird", betont Hlatywayo in einem Interview. Eine Wiedervereinigung mit Khupe käme nicht in Frage. Sie habe längst bewiesen, dass sie über keinen Rückhalt in der Wählerschaft verfüge und ihre Loyalität durch den „irrsinnigen Rückruf unserer Abgeordneten, Bürgermeister und Stadträte" schwinde. „Sie strebt nicht nach Einheit, sondern nach Zerstörung, und sie ist bereits dabei zu zerstören", meint der stellvertretende Sprecher der Allianz.
Hlatywayo meint, seine Partei bleibe trotz der verlorenen Hoffnung und des sichtbaren Zerfalls der Oppositionsbewegung die Alternative für das Land. Die „Volksbasis" und die Einheit der MDC-Allianz würde durch diesen „elitären Sturm im Wasserglas" niemals erstickt werden.
Nach Auffassung des Politikanalytikers Tjenisani Ntungwaka hat die Opposition durch ihre internen Kämpfe den Fokus verloren. „Ich bin der Meinung, dass die Opposition über ihre Strukturen hinaus Rat einholen sollte. Es besteht keine Notwendigkeit, mit einer festen Kohorte von Beratern zusammenzuarbeiten, da die Opposition keine Regierung führt, die Experten braucht, die sie bei der Führung der Wirtschaft unterstützen. Ich glaube auch, dass es kein Ding der Unmöglichkeit ist, die Zanu-PF abzulösen. Es braucht nur eine vereinte, lebendige und strategisch handelnde Opposition mit primärer Unterstützung der Basis, die in die Sicherheitssysteme der Zanu-PF eindringen kann."
Khupes MDC-T war nicht bereit, auf unsere Fragen zu antworten, obwohl der Generalsekretär der Partei, Douglas Mwonzora, versprochen hatte, uns zu kontaktieren.
Garikai Chaunza
Der Autor ist unabhängiger simbabwischer Journalist, Hörfunkredakteur und Medienmanager.