Heft 6/2021, DR Kongo

Die Flitterwochen mit China sind vorbei

KONGOS PRÄSIDENT TSHISEKEDI ÜBERPRÜFT VERTRÄGE. Innerhalb weniger Monate hat Felix Tshisekedi die Flitterwochen mit China beendet, die 1997 mit dem Sturz Mobutus begonnen hatten. Chinesische Unternehmen haben keinen Exklusivvertrag mehr für die Entwicklung des Inga-3-Staudamms am Kongo. Die Regierung überprüft die Bergbauverträge, darunter auch den 6-Milliarden-Dollar-Deal „Minen gegen Infrastruktur". Aber die Beziehung ist nicht vorbei: Niemand kann China als wichtigsten Wirtschaftspartner des Kongo ersetzen.

Die Flitterwochen zwischen China und der Demokratischen Republik Kongo sind zu Ende. Derzeit überprüft Präsident Felix Tshisekedi alle von seinem Vorgänger geschlossenen Verträge. Im August meldete die in Paris ansässige Nachrichtenwebsite Africa Intelligence, dass Kinshasa der chinesischen Three Gorge Corporation und ihren Partnern 2018 die Exklusivrechte für den Bau des 4800-MW-Wasserkraftwerks Inga III am Kongo-Fluss entzogen hat. Die Kosten werden auf rund 14 Milliarden US-Dollar geschätzt, einschließlich der Verbindungsleitungen zum südlichen Afrika. Die Exklusivrechte wurden an das australische Unternehmen Fortescue übertragen, das sich verpflichtet hat, alle Phasen des 40-GW-Projekts Grand Inga, einschließlich Inga III, zu entwickeln. Den chinesischen Unternehmen wurde jedoch angeboten, sich weiterhin mit dem australischen Unternehmen an dem Projekt zu beteiligen. Schließlich sagten diese Unternehmen jedoch den für August geplanten Besuch zur Erörterung dieses Szenarios ab.

China raus aus Inga
Der wahre Grund für die Entscheidung der kongolesischen Regierung, sich für die australische Alternative zu entscheiden, liegt nicht in der Absicht Tshisekedis, die Chinesen aus dem Inga-Megaprojekt zu verdrängen, sondern im mangelnden Fortschritt bei dessen Umsetzung. Seit der Unterzeichnung des Vertrags am 16. Oktober 2018 zwischen der DR Kongo und dem chinesischen Konsortium China Inga 3, das mit dem spanischen Konsortium ProInga unter Führung des Bauriesen ACS verbunden ist, ist das Inga-Projekt ins Stocken geraten. Einer der Gründe dafür war die Unfähigkeit von ACS, sich mit der chinesischen Seite über die Aufteilung der Geschäftsanteile zu einigen. Ein weiterer Grund war das Versäumnis der Three Gorge Corporation und des spanischen Unternehmens AEE Power, die nach dem Ausstieg von ACS aus dem Projekt im Jahr 2020 an Bord blieben, die vertraglich vereinbarten Machbarkeitsstudien durchzuführen. Da feste Stromabnahmeverträge fehlten, hatte die chinesische Seite auch Vorbehalte hinsichtlich der finanziellen Tragfähigkeit des Inga-3-Projekts. So haben potenzielle Hauptkunden wie Südafrika oder Nigeria keine Garantien für die Finanzierung des Projekts angeboten.

Im September nahm Tshisekedi seine frühere Entscheidung zurück, Fortescue die Exklusivrechte für die Entwicklung des Grand Inga-Projekts zu gewähren, und erhielt dafür Beifall von der kongolesischen zivilgesellschaftlichen Plattform „Toboyi Mobili", die sich gegen Megaprojekte und stattdessen für ein dezentrales Energiesystem und allgemeine Stromversorgung einsetzt. Doch die Three Gorges Corporation und ihr Hauptpartner Sinohydro sind nicht wieder ins Spiel gekommen.

„Minen gegen Infrastruktur" soll auf den Prüfstand
Der Fall Inga ist jedoch nur eines der Themen, bei denen die beiden Länder Meinungsverschiedenheiten gezeigt haben. Im Mai hatte Präsident Tshisekedi bei einem Besuch des kongolesischen Kupfergürtels in der früheren Provinz Katanga seinen Willen bekundet, die von seinem Vorgänger Joseph Kabila unterzeichneten Bergbauverträge neu auszuhandeln.

Im August begann die Regierung zu prüfen, ob der 20-prozentige Anteil des kongolesischen Staatsunternehmens Gécamines an der riesigen Kupfer- und Kobaltmine Tenke-Fungurume, die von China Molybdenum betrieben wird, einen angemessenen Anteil darstellt. Die Regierung ist nämlich der Ansicht, dass die Bergbaureserven, die der kongolesische Staat dem Projekt zur Verfügung stellt, mehr wert sind als diese 20 Prozent. Präsident Tshisekedi setzte eine Arbeitsgruppe ein, um die Bedeutung der Reserven zu ermitteln, während China Molybdenum gerade 2,5 Mrd. US-Dollar investieren will, um seine Kobaltproduktion von 15.400 t im Jahr 2020 auf 34.000 t im Jahr 2023 mehr als zu verdoppeln, was einem Viertel der weltweiten Gesamtproduktion im Jahr 2020 entspricht. Die strategische Bedeutung dieses Vorkommens auf globaler Ebene erklärt, warum Albert Yuma, CEO von Gécamines, nachdrücklich sein Missfallen äußerte, als die US-Firma Freeport McMoran ihre bisherige 56 Prozent Mehrheitsbeteiligung an China Molybdenum verkaufte. Weder das chinesische Unternehmen noch Freeport McMoran hatten Gécamines zum Zeitpunkt der Übernahme 2016 konsultiert.

Yuma, der diese „vollendeten Tatsachen" ablehnte, brachte den Fall vor das internationale Schiedsgericht in Paris und erhielt schließlich 33 Mio. US-Dollar von Freeport. Jetzt jedoch möchte das kongolesische Bergbauunternehmen immer noch eine Entschädigung von China Molybdenum und dem anderen Anteilseigner, dem schwedischen Unternehmen Lundin, das 24 Prozent der Anteile an Tenke Fungurume hält.

Präsident Tshisekedi ist entschlossen, ebenfalls den noch größeren Vertrag mit einem Umfang von 6 Mrd. US-Dollar, der 2008 zwischen der DR Kongo und einem von China Railways und Sinohydro geführten Konsortium unterzeichnet wurde, zu überprüfen. Jenes „Minen-gegen-Infrastruktur"-Abkommen wird in einem Bericht der Antikorruptionsorganisation EITI (Extractive Industries Transparency Initiative), in der Regierungen, Unternehmen und Aktivist:innen zusammengeschlossen sind, als „skrupellos" verurteilt.

Gemäß der ursprünglichen Vereinbarung verpflichtete sich das chinesische Konsortium zum Bau von Straßen und Krankenhäusern, die aus den Gewinnen des Kobalt- und Kupfer-Joint-Ventures Sicomines finanziert werden sollten, das damals mit Gécamines als Minderheitsaktionär gegründet wurde. Sicomines wurde außerdem von Steuern befreit. Allerdings stellte die EITI auch die Fairness der Vereinbarung in Frage, die vorsah, dass 65 Prozent der Gewinne von Sicomines zunächst für die Rückzahlung der chinesischen Investitionen verwendet werden müssen, während nur 35 Prozent an die Aktionäre gehen. Nach Angaben der kongolesischen Regierung ist die Umsetzung des Abkommens zudem enttäuschend verlaufen. Nur ein Drittel der bis September 2021 erwarteten 3 Mrd. US-Dollar sei investiert worden. Der EITI-Bericht fordert auch eine Neubewertung der Reserven von Sicomines, da eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2010 „mangelhaft" sei.

So war es keine Überraschung, als Felix Tshisekedi am 18. Oktober 2021 seine offizielle Entscheidung bekannt gab, den Sicomines-Vertrag auf den Prüfstand zu stellen. Die Regierung beschloss, das Joint Venture zu überprüfen und einen Mechanismus einzurichten, der die Transparenz seiner Verwaltung gewährleisten soll. Darüber hinaus beauftragte der Präsident den Außenminister, eine gemeinsame Kommission mit China zur Überprüfung aller gemeinsamen Projekte einzusetzen.

Ausbeutung der wichtigsten Diamantenfelder des Kongo
Doch auch die chinesische Präsenz im Diamantensektor hat zu Frust geführt. Mitte September warf Eric Ngalula, Abgeordneter des Wahlkreises Lupatapata in der östlichen Provinz Kasai, die bei den Präsidentschaftswahlen 2018 massiv für Tshisekedi gestimmt hatte, dem chinesischen Diamantenunternehmen SACIM (Société Anhui Congo d'Investissement Minier) vor, seine Edelsteine absichtlich zur Hälfte ihres Marktpreis zu exportieren. Ngalula, der der Union für Demokratie und sozialen Fortschritt von Tshisekedi angehört, sagt, er habe Beweise für diese Praxis vom offiziellen Zentrum für Bewertung, Expertise und Zertifizierung erhalten, und fordert das Finanzministerium auf, die Angelegenheit zu untersuchen.

Darüber hinaus herrscht in Kasai enormer Ärger, seit das chinesische Unternehmen 2013 während der Amtszeit von Joseph Kabila die Kimberlit-Reserven in Tshibwe erworben hat. Es handelt sich um die größten Diamantenvorkommen des Landes. Die Bevölkerung von Kasai hat das Geschäft als Raubbau empfunden. Das chinesische Unternehmen erwarb somit Reserven von mehr als 150 Millionen Karat, nachdem der damalige Präsident der DR Kongo, Laurent-Désiré Kabila, im Jahr 2000 diese Konzessionen, die zuvor zu 80 Prozent dem staatlichen Unternehmen MIBA gehörten, an ein Unternehmen namens Sengamines übergeben hatte, das dem kongolesischen Präsidenten und simbabwischen Generälen gehört und schließlich an die SACIM weiterverkauft wurde. In der Zwischenzeit ging MIBA, einst die wirtschaftliche Lokomotive von Kasai, beinahe bankrott.

Illegaler Goldabbau im Weltnaturerbe
Ein weiterer ernsthafter Zankapfel zwischen den Behörden der DR Kongo und China ist die illegale Goldausbeutung in der Provinz Ituri. Laut einer im September 2021 veröffentlichten Mitteilung des Bergbaukatasters (CAMI), das die Bergbaugenehmigungen vergibt, wurde das chinesische Unternehmen Kimia Mining Investment im August 2021 von 205 kongolesischen NROs in einem Schreiben an den Umwelt- und den Bergbauminister beschuldigt, im Weltnaturerbe Okapis Wildlife Reserve im Ituri-Wald illegal Gold abzubauen.

Einige chinesische Bergbaukonzerne nutzen die Korruption und die widersprüchliche Haltung kongolesischer Beamter aus, um ihre Interessen in Ituri zu fördern. Am 17. Oktober 2021 wurde eine Firma namens Mining Business and Consulting (MBC), die in Anspruch nimmt, die Interessen chinesischer Bergbauunternehmen verwalten, vom Militärgouverneur von Ituri ermächtigt, alle von diesen Unternehmen betriebenen Goldminen zu inspizieren. Doch drei Tage später erinnerte der stellvertretende Bergbauminister Godard Motemona daran, dass nur kongolesische Mitglieder von Genossenschaften Zugang zu den artisanalen Goldabbaugebieten haben dürfen. Die größte Oppositionskoalition Lamuka forderte außerdem die Ausweisung chinesischer Staatsbürger:innen ohne Aufenthaltserlaubnis, die an der Verschmutzung der Flüsse durch den unkontrollierten Einsatz von Zyanid zur Goldgewinnung beteiligt sind.

USA zeigen, wo der Hammer hängt
Auf jeden Fall leuchtet der chinesische Stern nicht mehr so hell wie noch vor einem Jahrzehnt. In der Zwischenzeit hat die amerikanische Sonne ihren Zenit erreicht. Im Moment gibt es unbestreitbar eine Liebesbeziehung zwischen Washington und Kinshasa und konkreter zwischen dem äußerst umtriebigen US-Botschafter Mike Hammer und Präsident Tshisekedi. Obwohl der US-Kongress 2014 die Regierung und USAID unter dem Druck der Umweltlobbys aufforderte, die Finanzierung von Großstaudämmen einzustellen, besuchte Mike Hammer im Juli 2021 die Inga-Baustelle und erklärte, dass „Inga ein idealer Sektor für Investitionen" sei. Im selben Monat unterzeichneten die USA mit der DR Kongo ein Abkommen über die Finanzierung von Reformen im Land in Höhe von bis zu 1,6 Mrd. US-Dollar in den nächsten fünf Jahren. Mit diesen Mitteln sollen insbesondere die kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung finanziert, das Wirtschaftswachstum gefördert und die große biologische Vielfalt des Kongo geschützt werden.

Außerdem engagiert sich Washington an der Sicherheitsfront. Im August 2021 traf ein Team von 20 Expert:innen der Special Forces mit dem Stabschef der kongolesischen Armee zusammen, um die militärische Ausbildung und Unterstützung der Kampfeinheiten vorzubereiten, die in der Region Beni in Nord-Kivu und in Ituri gegen die Dschihadisten der Allied Democratic Forces kämpfen.

China lässt sich nicht so einfach absägen
Offensichtlich wollen die USA diese Streitigkeiten ausnutzen, um ihren Einfluss im Kongo zurückzuerlangen. Dennoch ist Chinas Position als wichtigster strategischer Partner der DR Kongo äußerst solide. Als Handelspartner nahm China im Jahr 2020 41 Prozent aller kongolesischen Exporte auf, noch vor Tansania (11,8 %), Sambia (8,8 %) und Südafrika (7,7 %), die hauptsächlich Ziele von Reexport sind. (Reexporte sind Exporte von Waren meist in die Länder, aus denen sie über globale Lieferketten zuvor zu Veredelungszwecken importiert wurden; d. Ü.) China war mit 25,3 Prozent aller Importe auch der wichtigste Lieferant Kongos, vor den USA (21,3 %), der EU (11,9 %) und Südafrika (9,2 %). Und Chinas Position festigt sich sogar noch: Der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern stieg im ersten Halbjahr 2021 um 108,9 Prozent auf 6,49 Mrd. US-Dollar. Der Kongo ist auch das erste Ziel chinesischer Investitionen in Afrika mit einem Volumen von über 6 Mrd. US-Dollar im Jahr 2019. Nach Angaben der kongolesischen Bergbaukammer kontrollieren chinesische Investoren zudem rund 70 Prozent des Bergbausektors des Landes.

Auch wenn die DR Kongo möglicherweise Anpassungen der bilateralen Abkommen erzwingt, werden die chinesischen Unternehmen bleiben, auch weil sie Kompromissbereitschaft signalisieren, um ihre führende Position zu behalten. Mitte September betonte der chinesische Botschafter in Kinshasa, Zhu Jing, dass Peking bereit sei, die Kooperationsbeziehungen zu verbessern, während die kongolesische Bergbauministerin Antoinette N'Samba Kalambayi erklärte, ihre Regierung würde mehr chinesische Bergbauunternehmen willkommen heißen und das Geschäftsklima verbessern, um die „legitimen Interessen" der Investorgesellschaften zu schützen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, erklärte, dass die bilaterale Zusammenarbeit bisher für beide Seiten ein Gewinn gewesen sei, insbesondere der berühmte Minen-gegen-Infrastruktur-Deal. Das 240-MW-Wasserkraftwerk Busanga, das größte seit dem Bau von Inga 2 im Jahr 1982, ist ein Beispiel dafür, was Zhao als eine Erfolgsgeschichte betrachtet. Im Januar 2021 wurde die DR Kongo als 45. afrikanisches Land in die von China geführte „Belt and Road Initiative" aufgenommen, die darauf abzielt, Handels- und Infrastrukturnetze zwischen Asien, Europa und Afrika aufzubauen, und zwar entlang und jenseits der alten Seidenstraße aus Marco Polos Zeiten.

François Misser

Der Autor ist in Brüssel ansässiger Experte für Zentralafrika und Korrespondent für den BBC und verschiedene Zeitungen.