Heft 6/2022, Angola

Ein langer und kurvenreicher Weg: Die Privatisierung von Sonangol

Im einst „marxistisch-leninistischen" Angola klingt die Privatisierung des halbstaatlichen Ölgiganten Sonangol wie eine Revolution. Doch der vor drei Jahren eingeleitete Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen und hat sich verzögert. In einem Land, das von einer Rekordkorruption heimgesucht wird, sind die Investoren immer noch vorsichtig.

Von François Misser

Anfang September 2022 sagte der Vorsitzende des Instituts für die Verwaltung von Vermögenswerten und staatlichen Beteiligungen (IGAPE), Patricio Vilar, in Presseinterviews, er wisse noch nicht, ob der halbstaatliche Ölkonzern Sonangol 2023 oder erst 2025 privatisiert werde. Vilar stellte jedoch klar, dass dies irgendwann geschehen werde. „Was ich garantieren kann, ist, dass Sonangol und Endiama während der fünfjährigen Amtszeit der neuen Regierung privatisiert werden, wenn der Markt dafür bereit ist", versprach er. Das Privatisierungsprogramm sollte nach seinem Start eigentlich innerhalb von vier Jahren bis Ende 2022 umgesetzt werden, doch es kam zu zahlreichen Verzögerungen.

Für Sonangol hat die Regierung eine Teilprivatisierung vorgesehen. So plant sie, ihre 30-prozentige Beteiligung an der nationalen Ölgesellschaft Sonangol Exploração e Produção (Sonangol EP) zu veräußern und einen Teil der 50 Unternehmen der Sonangol-Gruppe zu verkaufen, darunter auch die Anteile am Tankstellennetz Sonangalp.

Nach Angaben eines belgischen Bankiers, der in Angola tätig war, ist die Privatisierung von Sonangol Teil eines umfassenden Privatisierungsprogramms der angolanischen Regierung. Dieses „Programa de Privatizações Integral e Parcial de Empresas Públicas" (Propriv) wurde 2019 gestartet. Zu Beginn umfasste es 195 Unternehmen, darunter auch die halbstaatliche Diamantengesellschaft Endiama und die Fluggesellschaft TAAG. Seither wurde die Zahl der Unternehmen jedoch überarbeitet. Einige wurden in die Liste aufgenommen, andere wurden gestrichen. Im September 2022 waren es 140, von denen mehr als achtzig bereits vom Staat verkauft worden waren.

Konzentration auf das Kerngeschäft und Modernisierung des Unternehmens

Hinter dieser Reform steht unter anderem der Wunsch von Präsident João Lourenço, ausländische Investitionen und Arbeitsplätze ins Land zu holen und gleichzeitig die Wirtschaft zu diversifizieren. Das Privatisierungsprogramm 2019-2022, das mit dem Präsidialdekret Nr. 250/19 vom 5. August verabschiedet wurde, sieht vor, günstigere Bedingungen für Investitionen und den Erwerb von spezifischem Know-how und Fähigkeiten für die Umstrukturierung und Verkleinerung des öffentlichen Unternehmenssektors insgesamt zu fördern.

Konkret zielt die Privatisierung von Sonangol auf die Umwandlung des halbstaatlichen Erdölkonzerns in ein wettbewerbsfähigeres und rentableres Unternehmen ab. Auf einer Pressekonferenz in Luanda im Februar 2022 erklärte Sonangol seine Absicht, sich von einem traditionellen Ölunternehmen in ein modernes Energieunternehmen zu verwandeln, das in der Lage ist, den Übergang zu saubereren Energien zu vollziehen.

Außerdem will Sonangol den Anteil der eigenen Erdöl- und Erdgasproduktion von zwei Prozent auf zehn Prozent erhöhen und seine Kapazitäten zur Verarbeitung von Rohöl ausbauen, um die Abhängigkeit Angolas von Importen raffinierter Erdölprodukte zu verringern. Jahr für Jahr hat sich Sonangol von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Vermögenswerten getrennt und sich auf Maßnahmen konzentriert, die eine maximale betriebliche Effizienz und Rentabilität gewährleisten.

Dieses von der Weltbank unterstützte Programm zielt auch darauf ab, eine entscheidende Quelle für Korruption einzudämmen, die von den halbstaatlichen Einrichtungen ausgeht. Die Herausforderung besteht darin, sich vom Erbe eines Systems zu lösen, bei dem mit der Gründung von Sonangol oder Endiama kurz nach der Unabhängigkeit 1975 die Strukturen der Wirtschaft festgelegt wurden, ohne dass viel Wert auf ihre Managementleistungen gelegt wurde.

Tatsächlich haben sich diese erheblich verschlechtert. 2020 beklagte die in Luanda und Lissabon ansässige akademische Forschungsgruppe CEDESA, die sich mit wirtschaftlichen und politischen Fragen Angolas befasst und die Privatisierung von 33 Prozent des Sonangol-Kapitals befürwortete, dass die Erdöltätigkeit von Sonangol stagnierte und das Unternehmen nicht mehr die Größe und den Schwung hätte, um als Motor der angolanischen Wirtschaft zu fungieren.

Das wichtigste Juwel der Krone

Dennoch ist die Privatisierung von Sonangol ein wichtiges Thema. Angola ist 2022 immerhin zum größten Erdölproduzenten Afrikas aufgestiegen, obwohl es im August 2022 nur noch 1,18 Mio. Barrel pro Tag förderte (deutlich weniger als der Rekordwert von 1,8 Mio. Barrel im Jahr 2015). Das ist auf den Einbruch der nigerianischen Produktion zurückzuführen, der durch den massiven Diebstahl von Rohöl durch kriminelle Gangs, die Unsicherheit und fehlende Investitionen und Wartung der Anlagen in Nigeria verursacht wurde.

In Angola ist Erdöl nach wie vor das A und O der Wirtschaft. 2021 machte es 95 Prozent der Exporterlöse, 35 Prozent des BIP und 60 Prozent der Steuereinnahmen aus. Im August 2022 beliefen sich die Steuereinnahmen aus Öl auf 14,7 Mrd. US-Dollar. Durch den spektakulären Preisanstieg infolge des russischen Ukraine-Kriegs stieg der Gesamtwert der Exporte Angolas auf 29 Mrd. US-Dollar.

Nach Schätzungen, die sich auf die Kriterien des Wirtschaftsberatungsunternehmens Ernst & Young stützen, belief sich der Wert der Sonangol-Vermögenswerte im Jahr 2021 auf rund 27 Mrd. US-Dollar oder den Gegenwert von 40 Prozent des angolanischen BIP (66 Mrd. USD). Der Nettogewinn (nach Steuern) betrug 2,1 Mrd. USD, während das EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) 3,4 Mrd. USD erreichte. Der Jahresumsatz von Sonangol erreichte in diesem Jahr 8,9 Mrd. USD, was einem Anstieg von 45,9 Prozent gegenüber 2020 entspricht und etwa sechsmal höher ist als der Umsatz des halbstaatlichen Diamantenkonzerns Endiama. Der Umsatz von Sonangol machte auch 13,6 Prozent des angolanischen BIP aus.

Die Bedeutung der Debatte über die Privatisierung von Sonangol ist der überragenden Rolle des Unternehmens für die Wirtschaft des Landes geschuldet. Jahrzehntelang, so ein angolanischer Energieexperte, hat der angolanische Staat Sonangol de facto als nationalen Staatsfonds genutzt. Wie Lucy Corking vom Oxford Institute for Energy Studies hervorhebt, verfügt Sonangol über ein Netz von Tochtergesellschaften, das fast jeden Sektor der angolanischen Wirtschaft und wichtige Interessen im Ausland umfasst.

In Angola selbst ist Sonangol bei Redaktionsschluss immer noch die Muttergesellschaft von Sonasing, Manubito, OPS Production, OPS Serviços de Produção de Petróleos und Sonimetech (im Erdölsektor einschließlich des Teilsektors der mit dieser Industrie verbundenen Dienstleistungen). Außerdem besitzt Sonangol noch ein Netzwerk von Unternehmen im Tourismussektor wie Atlantida und die Hotels Riomar, HCTA und Florença sowie das Reisebüro WTA International. Außerhalb des Landes besitzt Sonangol noch WTA-Tochtergesellschaften in Frankreich und den USA, Dirani SGPS und Altlantida Viagens e Turismo SA in Portugal. Zum Portfolio gehören auch die Elektrizitätsgesellschaft ENCO in São Tomé und Príncipe, Sonangol Cabo Verde und die ivorische Raffineriegesellschaft (Société Ivoirienne de Raffinage).

Ein fortlaufender Prozess

Dies sind die Überreste eines Imperiums, das noch viel größer war. Seit 2019 hat Sonangol als größtes Stück des Privatisierungskuchens der Regierung eine Reihe von Unternehmen verkauft, die nicht zum Kerngeschäft gehören, wie Unitel im Telekommunikationssektor und andere im Finanzsektor.

Nach dem Verkauf des 9,5-prozentigen Anteils von Sonangol an der Banco Africano de Investimento (BAI) im Juni 2022 wurde im September der 25-prozentige Anteil von Sonangol an der Caixa Geral Angola für 46 Mio. US-Dollar an der Börse verkauft. Gegenwärtig wird über den Verkauf der 70-prozentigen Beteiligung von Sonangol an der Banco Económico diskutiert. Ein solcher Verkauf wird jedoch aufgrund der Hinterlassenschaft des Skandals der Banco Espirito Santo Angola, die 2014 in Banco Económico (BE) umbenannt wurde, keine leichte Aufgabe sein, warnt ein lokaler Banker. Die finanzielle Situation der BE wurde noch nicht öffentlich dargelegt, geplant ist, das Kapital für die Großanleger (über 5 Mio. USD) zu öffnen, die durch die Umwandlung ihrer Einlagen in Kapitalanteile zu neuen Anteilseignern der BE werden würden.

Anfang dieses Jahres verkaufte Sonangol Hidrocarbonetos Brasil auch seinen Anteil an einem brasilianischen Ölblock an Aguila Energia e Participações. Ende September 2022 gab die IGAPE bekannt, dass die 20-prozentige Beteiligung von Sonangol Holdings an der Baufirma Mota Engil Angola SA an die portugiesische Muttergesellschaft Mota Internacional Comércio e Consultoria Económica verkauft worden ist.

Ein komplexes Thema in technischer und ethischer Hinsicht

Das Privatisierungsvorhaben ist eine komplexe Angelegenheit. Das räumte die angolanische Finanzministerin Vera Daves de Sousa auf der „Bloomberg Invest: Focus on Africa"-Konferenz im Mai 2022 ein. Die Ministerin wies darauf hin, dass der Umstrukturierungsprozess, der notwendig ist, um bessere Bedingungen für den Verkauf der Minderheitsbeteiligungen von Sonangol zu schaffen, Zeit in Anspruch nehmen kann. Ihrer Ansicht nach wird eine Auktion nicht vor Ende 2023 stattfinden, da die Vermögenswerte, die Sonangol verkaufen will, noch einer Due-Diligence-Prüfung unterzogen werden müssen.

Auch der IGAPE-Vorsitzende Patricio Vilar verweist auf die „kritische Masse" von Sonangol, das nicht nur von der Umstrukturierung der zu verkaufenden Vermögenswerte abhänge, sondern auch von den Marktbedingungen des Sektors, zu dem sie gehören. Vilar erinnert daran, dass der Internationale Währungsfonds in dieser Frage zur Vorsicht riet, gerade um die besten Marktchancen zu nutzen.

Das Paradigma des Energiesektors ändert sich gerade. Deshalb ist die Anpassung an die neuen Marktkonfigurationen eine Herausforderung für die Privatisierungsvorhaben von Sonangol. Ohne eine angemessene Bewertung des Marktes lässt sich kein genauer Termin festlegen. Aber die Sonangol-Aktien würden zu gegebener Zeit an der Börse angeboten werden, so Vilar.

Bislang haben die privatisierten Unternehmen nur lokale Konzerne angezogen, aber kaum internationale. Nach Ansicht des lokalen Bankers spielt bei dieser Zurückhaltung auch die mangelnde Transparenz darüber, was in den privatisierten Unternehmen zu finden sein wird, eine Rolle. Werden sie solide und gut geführt sein? Das weiß noch niemand. Das Problem sei ein Mangel an Vertrauen, erklärt der Banker.

Sonangol ist ein gutes Beispiel für diese Zurückhaltung. Der Rohölpreis ist zwar derzeit recht hoch, aber das Unternehmen ist mit 5 Mrd. US-Dollar Schulden belastet und hat in den letzten Jahren nicht genug investiert, um seine Produktionskapazität zu modernisieren. Darüber hinaus wurde der Ruf von Sonangol durch mehrere Korruptionsfälle beschädigt. Unter der Leitung von Manuel Vicente, ehemaliger Vizepräsident Angolas, und danach von Isabel dos Santos, Tochter des verstorbenen Ex-Präsidenten, war das Management von Sonangol mehr als umstritten.

2021 wies Transparency International in einem Sonderbericht auf sehr ernst zu nehmende Anzeichen dafür hin, dass die Banco Comercial Português (BCP) zur Wäsche illegaler Gelder aus der Korruption in Angola benutzt wurde. Diesem Bericht zufolge haben die drei angolanischen NRO Associação Mãos Livres, Fórum Regional de Desenvolvimento Universitário und Associação Omunga, die sich für Menschenrechte und verantwortungsvolle Staatsführung einsetzen, bei der portugiesischen Kriminalpolizei, dem Departamento Central de Investigação Penal (DCIAP), eine Beschwerde eingereicht, in der sie ehemalige Sonangol-Führungskräfte, darunter Vicente, der Korruption und Geldwäsche beschuldigten. Nach Angaben von Salvador Freire von Mãos Livres geht es unter anderem um einen illegalen Transfer von 35 Mio. US-Dollar von Sonangol an ein Offshore-Bohrunternehmen, dessen Muttergesellschaft SBM Holding Inc. SA. ihren Hauptsitz in der Schweiz hat.

Darüber hinaus hat der bekannte angolanische Whistleblower Rafael Marques de Morais im Mai 2022 eine weitere Klage gegen den ehemaligen Vorsitzenden von Sonangol UK, José Carlos de Castro Paiva, eingereicht. Der Vorwurf lautet auf Ausnutzung seiner Position, um auf betrügerische Weise eine 10-prozentige Beteiligung von Sonangol an der Banco Angolano de Investimento zu erwerben und diese Anteile auf drei von ihm gegründete Scheinfirmen, nämlich Arcinella Assets, Sforza Properties und Dabas Management, zu übertragen. Die drei Unternehmen wurden 2010 vom US-Senat, der die Geschäfte der BAI wegen Verdachts auf Geldwäsche untersuchte, die von der damaligen angolanischen Führungselite veruntreut wurden, als Paivas Eigentum identifiziert. Die Klärung solcher kontroversen und rufschädigenden Fragen ist unabdingbar, um ein günstiges Klima für ausländische Investitionen in Angola zu schaffen.

Beobachter:innen bezweifeln jedoch, dass das eigentliche Ziel des Privatisierungsprozesses lediglich in der Modernisierung und Effizienzsteigerung der wichtigsten nationalen Unternehmen besteht. Sie vermuten hinter den Privatisierungsplänen einen Versuch der MPLA-Elite, die Kontrolle über die wichtigsten Melkkühe des Landes, Sonangol und Endiama, zu behalten. Dieser Verdacht wird insbesondere von dem Angola-Spezialisten des Instituts für globale Studien der Universität Genf, Didier Péclard, geäußert. In einem Interview mit Radio France International am 13. September 2022 sagte Péclard, dass er davon ausgehe, dass die Aktien beider Unternehmen wahrscheinlich von Personen aus dem Umfeld des Präsidenten gekauft würden. Am Ende bliebe der Privatisierungsprozess also nur eine theoretische Veräußerung und ein Weg, die Kontrolle über die wichtigsten Instrumente der angolanischen Wirtschaft zu behalten. Ob sich dieser Verdacht durch Fakten bestätigen lässt oder ob es sich eher um eine Verschwörungstheorie handelt, wird die Zeit zeigen. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.

François Misser ist in Brüssel ansässiger Experte für Zentralafrika und Korrespondent für den BBC und verschiedene Zeitungen.