Heft 6/2023, Simbabwe

Schreien für den Lebensunterhalt

Sie stehen an Busbahnhöfen und locken Fahrgäste mit lautem Geschrei in die Minibusse Harares: Für informelle Werber ist das „Schreien für den Lebensunterhalt" die einzige Möglichkeit, der hohen Arbeitslosigkeit in Simbabwe zu entgehen.

Von Jeffrey Moyo

Seit seinem Schulabschluss vor 14 Jahren war er immer ein „tout" – ein informeller, lauthals schreiender Werber. Im Laufe der Jahre ist seine Stimme heiser geworden, doch auch jetzt, im Alter von 32 Jahren, muss Leopold Mugweni hartnäckig an seinem Job festhalten und durch Schreien seinen Lebensunterhalt verdienen. Er sorgt dafür, dass die Minibusse, die an dem Busbahnhof ankommen, an denen er gerade arbeitet, bis zum Rand mit Fahrgästen beladen werden. Auch Katz-und-Maus-Spiele mit der Stadtpolizei gehören zu seinem Alltag, da Mugweni und viele seiner Kollegen, die ebenfalls als Werber tätig sind, in der simbabwischen Hauptstadt Harare ums Überleben kämpfen.

Tatsächlich ist Schreien für den Lebensunterhalt für arbeitslose Jugendliche wie Mugweni, die in den Städten Simbabwes als informelle Werber arbeiten, zur Lebensart geworden. Mugweni sagt, sie würden schreien, um Fahrgäste für öffentliche Verkehrsmittel zu gewinnen, die im lokalen Jargon als Kombis oder Mushikashikas bekannt sind und verzweifelten Pendler:innen in den Städten des Landes als Transportmittel dienen.

„Ich verdiene Geld mit meiner Stimme. Je mehr ich schreie, desto mehr Pendler hören mich und desto mehr steigen sie in die Kombis, die ich am Busbahnhof, an dem ich arbeite, bediene", sagt Mugweni. Wie viele andere Werber, die hier an den Busbahnhöfen herumstreunen, sagt Mugweni, er habe keine andere Wahl, auch wenn er den Zorn der Stadtpolizei auf sich zieht, die viele wie ihn beschuldigt, ein Ärgernis in den Städten zu sein. Dennoch müssen Menschen wie Mugweni ausharren und lauthals schreien, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Wenn die Fahrgäste und Pendler Mugwenis lautem Werben gefolgt sind und der Kombi voll beladen ist, bezahlt ihn der Fahrer. „Ich bekomme zwei Dollar für jeden Kombi, den ich mit Fahrgästen belade", berichtet Mugweni. Aber informelle Werber wie er sind nicht reguliert, für sie bedeutet es, nur der Stärkere überlebt, denn sie müssen auch die Brutalität der Polizei ertragen, während sie eher illegal tätig sind.

„Sie wissen ja, unser Motto lautet: Sicherheit geht vor. Es gibt absolut keine zweite Chance. Werber sind illegal. Sie verhalten sich eher wie Tiere. Dennoch gibt es immer jemandem, der sie für das Werben bezahlt, und diese Gewohnheit, Werber zu bezahlen, ist absolut falsch", sagt eine Beamtin vom Traffic Safety Council of Zimbabwe. Sie wollte nicht namentlich genannt werden, da sie nicht befugt war, mit den Medien zu sprechen.

Angeschlagener halbstaatlicher Verkehrsbetrieb

Der Verkehrssicherheitsrat von Simbabwe fördert Verkehrssicherheit durch Bildung, Werbung und Forschung in Zusammenarbeit mit anderen Interessengruppen. Nach Angaben des Zimbabwe Congress of Trade Unions, des wichtigsten Gewerkschaftsbundes Simbabwes, sind 95 Prozent der Simbabwer:innen arbeitslos. Zu diesen Arbeitslosen gehören Mugweni und viele andere informelle Werber, aber dennoch arbeiten Menschen wie Mugweni rund um die Uhr und stellen sicher, dass Pendler:innen einen Transportplatz finden.

Während des Coronavirus waren alle Kombis der Zimbabwe United Passengers Company (ZUPCO) unterstellt, und alle öffentlichen Verkehrsmittel, die nicht der nationalen Flotte angehörten, durften nicht auf die Straßen. Die 1985 gegründete ZUPCO ist ein halbstaatliches Unternehmen, das sowohl Stadt- als auch Fernbuslinien betreibt und ein kostengünstiges öffentliches Verkehrsunternehmen ist. Im Laufe der Jahre geriet das Unternehmen aufgrund von Missmanagement und grassierender Korruption ins Hintertreffen, erlebte aber um 2020 ein kleines Comeback, als die Behörden des Landes den Kombis angesichts steigender Coronavirus-Fälle den Betrieb untersagten. Die Pendler:innen waren gezwungen, sich ausschließlich auf ZUPCO-Busse zu verlassen, da die Behörden alle Hände voll damit zu tun hatten, den Personenverkehr in die Stadtzentren hinein einzuschränken, um eine Überfüllung zu vermeiden.

Die ZUPCO hat durch Zufall überlebt, obwohl sie nach wie vor schlecht verwaltet wird, und selbst nachdem die Coronavirus-Beschränkungen im letzten Jahr aufgehoben wurden, bediente das staatlich kontrollierte Busunternehmen noch einige Zeit lang verschiedene Linien. Kombis, die bei der Rückkehr der ZUPCO-Busse ihr Geschäft verloren hatten, mussten unter dem Franchise der halbstaatlichen Gesellschaft fahren. Doch nicht viele dieser Kombis konnten sich der ZUPCO-Konzession anschließen, da mehrere andere einfach ihren Betrieb einstellten.

Mushikashikas: illegale Piratentaxis

Infolgedessen traten illegale Piratentaxis, sogenannte Mushikashikas, auf den Plan, um die Transportprobleme zu lösen, und spielten Verstecken mit der Polizei, die die diese Betreiber um jeden Preis bekämpfte. Doch da die ZUPCO mit den wachsenden Fahrgastzahlen überfordert war, gaben die Behörden in diesem Jahr nach und ließen die Kombis wieder auf den Straßen zu, allerdings mit wenig Personal vor Ort, um den täglichen Betrieb zu steuern.

Bevor die ZUPCO im Jahr 2021 das Handtuch warf, schloss sich die angeschlagene halbstaatliche Gesellschaft zur Steigerung ihrer Effizienz mit der National Railways of Zimbabwe zusammen, um einige Strecken in Harare zu bedienen. Darauf führten die Eisenbahngesellschaft und ZUPCO die drei Harare-Pendlerzüge ein, die in die Harare-Vororte Mufakose, Ruwa und Tynwald verkehren.

Aber auch die sogenannten ZUPCO-Züge hielten nicht lange durch, da sie im Laufe der Jahre veraltet und unzureichend gewartet wurden. Das hat dazu geführt, dass die einst chaotischen Kombis in den Städten wieder voll im Einsatz sind und mit illegalen Piratentaxis um die Pendler:innen in den Städten konkurrieren. An den Busbahnhöfen in den Städten oder in abgelegenen Gegenden sind Syndikate von Werbern tätig und kassieren Gebühren für die Beladung der Kombis und Mushikashikas mit Fahrgästen.

Es gibt viele wie Mugweni in Harare. Kombis und Piratentaxis sind zu Goldeseln für korrupte Polizei- und Stadtverwaltungsbehörden geworden, die Schmiergelder verlangen, um die Kombis im Geschäft zu halten, weil viele dieser Transportunternehmen keine Genehmigung für den Straßenverkehr haben.

Während der Lockdowns, als das Coronavirus grassierte, arbeiteten Werber wie Mugweni immer noch verdeckt und vermieden es, in die Stadt zu kommen, da die Menschen sich nicht überall aufhalten durften, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, an dem Tausende von Simbabwer:innen starben. Doch selbst jetzt, da sie immer noch um ihren Lebensunterhalt schreien, haben die Werber einen weiteren Markt für ihren Beruf gefunden – die neuen Mushikashika-Fahrzeuge, die überall in den Städten auf der Jagd nach Pendler:innen anzutreffen sind.

Mushikashikas sind Privatwagen. Sie haben sich zu einer weiteren Einnahmequelle für die Werber entwickelt, die in und außerhalb der Städte Haltestellen besetzen. „Wir werden dafür bezahlt, dass wir auch Passagiere für diese privaten Autos vermitteln, die Personen gehören, die neben ihren anderen Jobs unbedingt etwas dazuverdienen wollen", sagt Benson Mangwe, ein Werber, der in Rezende, einem Busbahnhof in Harare, tätig ist.

Kampf um Passagiere

Kriege zwischen den Betreibern von Mushikashikas und den Minibussen haben des Öfteren zu Schlägereien zwischen den Werbern im Konkurrenzkampf um die Pendler:innen geführt. Die Polizei hat nur wenig dafür getan, um diese Rivalitäten zu beenden.

„Wir führen oft Operationen durch, bei denen wir fast täglich Werber festnehmen, was sicherlich aktenkundig ist, wobei einige dieser Werber vor Gericht erscheinen", sagt der Sprecher der nationalen Polizei, Paul Nyathi. Nyathis Haltung gegenüber den Werbern unterscheidet sich nicht von derjenigen von Verkehrsorganisationen wie der Passenger Association of Zimbabwe.

„Werber gibt es seit den Anfängen der Kombis als eine Form des öffentlichen Verkehrs. Sie kontrollieren noch immer die Busbahnhöfe. Diese Werber sind in der Regel rüpelhaft, laut und zuweilen gewalttätig und beleidigend. Ja, diese Werber verdienen ihren Lebensunterhalt damit, dass sie die Pendler überreden, in bestimmte Kombis oder Fahrzeuge einzusteigen, was am Ende des Tages ihr Einkommen bestimmt", so Tafadzwa Goliath, Präsident des Fahrgastverbandes von Simbabwe. Aber Goliath weist auch darauf hin, dass das Werben illegal ist, denn es trägt dazu bei, dass die Kosten für den öffentlichen Verkehr steigen.

Jeffrey Moyo ist freier Journalist aus Simbabwe und Korrespondent für die New York Times und andere internationale Medien.